Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Historische Rede an die Muslime - Obama, der Psychologe - Leitartikel von Gudrun Büscher
Essen (ots)
Selten hat die Rede eines US-Präsidenten so wohl getan. Barack Obama hat in Kairo die richtigen Worte gefunden, vor allem aber, hat er den richtigen Ton getroffen. Er ist mit offenen Armen und mit viel Respekt auf die Muslime in aller Welt zugegangen und hat für einen Neubeginn geworben, ohne - wie früher üblich - Vorschriften zu machen. Ja, es war eine große Rede, eine großartige politische Predigt. Sie wird wohl als historische Ansprache von Kairo den Weg in die Geschichtsbücher finden.
Die Rede war ein Anfang. Das ist nicht wenig. Nur wer konkrete Vorschläge zum iranischen Nuklearprogramm oder zum weiteren Vorgehen im Nahost-Konflikt erwartet hatte, wurde enttäuscht. Da blieb der Präsident bei Altbekanntem und im Ungefähren. Die psychologische Wirkung dieser Rede ist es, auf die es ankommt. Und sie muss ihre Wirkung erst entfalten.
Vieles ist so neu, was aus dem Weißen Haus kommt, dass sich die Menschen erst daran gewöhnen müssen: "Wir wollen niemandem etwas aufdrängen", sagt der Präsident - auch nicht den amerikanischen Lebensstil oder die Politik. Und: "Wir können Frieden nicht erzwingen." "Gemeinsam" ist das Zauberwort, das sich wie ein roter Faden durch die Rede zieht. Er benennt das Einende, nicht das Trennende: Eine Welt, eine Menschheit, ein Gott.
Er betont den Hussein in seinem Namen, der zwischen Barack und Obama steht, und immer wieder bezieht er sich auf den Koran. Wer das als anbiedern abtut, hat nichts verstanden. Kein Präsident vor ihm hat ein derart zerrüttetes Verhältnis zu großen Teilen der arabischen Welt und zu den Muslimen vorgefunden wie Obama.
Es gilt, die Muslime mitzunehmen in eine neue Zeit. Es gilt, acht Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September die gemäßigten Muslime deutlich von den Extremisten zu trennen - nur so lässt sich den Terroristen, den selbsternannten Gotteskriegern, der Boden entziehen. Und es gilt, Angst und Misstrauen zu überwinden. "Wenn wir uns von der Vergangenheit binden lassen, kommen wir nicht voran", sagte der Präsident.
Auf die Worte kam es Obama an, Taten müssen folgen. Wie die aussehen, hängt nicht allein vom US-Präsidenten ab. Den Iran sprach er direkt an, die radikal-islamische Hamas auch. Ob das dort auf fruchtbaren Boden fällt? Die Skepsis ist leider genauso groß wie die Begeisterung über so wunderbare Worte.
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