Alle Storys
Folgen
Keine Story von Westdeutsche Allgemeine Zeitung mehr verpassen.

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

WAZ: Kulturhauptstadt 2010 - Zwölf Monate Sommermärchen. Leitartikel von Jens Dirksen

Essen (ots)

Als das Ruhrgebiet am 11. April 2006 von der
Europäischen Union zur Kulturhauptstadt ernannt wurde, seufzten die 
Konkurrenten aus Görlitz: "Wieso denn ihr? Ihr habt doch schon 
alles!"
Wohl wahr, vier Opernhäuser im Umkreis von 50 Kilometern, 17 
Kunstmuseen und alle paar Autobahnabfahrten eine Theaterbühne, 
Konzerthallen zuhauf - Kulturgebiet ist das Ruhrgebiet immer mehr 
geworden, je weniger die alten Industrien von Kohle und Stahl das 
Bild beherrschten. Die kulturelle Grundversorgung war und ist 
vielerorts das Einzige, was tatsächlich Metropolen-Qualität hat. Aber
außer denen, die hier leben, wusste es keiner. Um das zu ändern, 
wurde das Revier Kulturhauptstadt - nicht um die Kulturlandschaft zu 
päppeln.
Europa soll staunen. Und die Besucher sollen nicht nur sagen: 
"Ist das aber grün hier", sie sollen es bunt finden. Das zumindest 
dürfte gelingen mit dem Programm, das die Ruhr.2010 GmbH gestern 
vorgestellt hat. Verprellt hat man bei der Festlegung der 300 
Kulturhauptstadt-Projekte allerdings viele Kulturschaffende vor Ort: 
Durch eine offene Ausschreibung handelte man sich 2000 Vorschläge 
ein; um die zu sichten und zu bewerten, war ein bürokratischer 
Überbau nötig, der nicht nur abgelehnten Künstlern wie ein Wasserkopf
vorkommen mag. Und leider fällt auch das einzige Projekt, das den 
Charme eines echten Touristenmagneten hatte, ins Grubenwasser: Das 
geplante Besucherbergwerk auf der Welt-
erbe-Zeche Zollverein hätte mit Grubenfahrten in 1000 Meter Tiefe 
etwas geboten, was nirgendwo sonst zu haben ist.
Das Motto der Kulturhauptstadt aber - "Wandel durch Kultur, 
Kultur durch Wandel" - wird erst 2011 wirklich wichtig. Spätestens 
dann wird die Geldnot der Städte so richtig durchschlagen. Und dann 
wird auch die Kulturszene sich wandeln müssen, sich anpassen an 
schrumpfende Bevölkerungszahlen und Etats. Die Grundversorgung aber, 
auf die man hier zu Recht so stolz ist, muss erhalten bleiben. Ein 
Revier 2011, das kulturell in Sack und Asche geht, würde das 
Feuerwerk des nächsten Jahres zum Blendwerk machen.
Aber freuen wir uns erst einmal auf das Kulturhauptstadtjahr. 
Zünden wird es, wenn es gelingt, die Menschen der Region neu für die 
Region zu begeistern und sie so nicht nur zum Publikum, sondern zum 
Motor der Kulturhauptstadt zu machen, durch Teilhabe. Vielleicht 
gelingt ja sogar ein Ganzjahres-Sommermärchen nach Art der 
Fußball-WM.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

Original-Content von: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
  • 30.10.2009 – 19:29

    WAZ: Keine Entwicklungshilfe für China - Zu kurz gedacht. Kommentar von Gudrun Büscher

    Essen (ots) - Entwicklungshilfe für ein Land, das Deutschland den Titel "Exportweltmeister" streitig macht? Für ein Land mit einem zweistelligen Wirtschaftswachstum? Für ein Land, das Unsummen in die Rüstung steckt und sich in Afrika einkauft? Das Nein auf diese Frage ist vielleicht populär, aber zu kurz gedacht. Das Ministerium, das der FDP-Politiker Dirk ...

  • 30.10.2009 – 19:24

    WAZ: Unnötige Aufregung. Kommentar von Klaus Wille

    Essen (ots) - Manchmal staunt man. Wenn die Fußball-Bundesliga in England oder Italien um eins beneidet wird, dann nicht so sehr um ihre spielerische Qualität, sondern um das Drumherum. Die Stimmung ist gut, die Ränge sind voll. Denn die meisten Stadien sind modern, komfortabel und vor allem: sicher. Die Zeiten, in denen Fans sich regelrechte Schlachten geliefert haben, sind längst vorbei. Das liegt, ...

  • 29.10.2009 – 19:55

    WAZ: Moderne Paradoxien. Kommentar von Jens Dirksen

    Essen (ots) - Fühlen, Meinen und Tun nehmen oft ganz verschiedene Wege, obwohl es um dieselbe Sache geht. Man kennt das von der Hochglanzkocherei mit anschließender Brutzelakrobatik im Fernsehen: Kein Sender, keine Tageszeit mehr ohne irgendeinen Tanz um den edelstählernen Herd - und währenddessen steigt der Absatz von Fertigkost, weil immer weniger Menschen selber kochen. Genau dasselbe Phänomen gefährdet ...