Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Das Ende eines Revolutionärs - Kommentar von Ulrich Reitz
Essen (ots)
Ein mutiger, anerkannter Richter, ein Rechtsanwalt, der politische Gefangene in der Diktatur verteidigte, zwei in USA ausgebildete bzw. lehrende Ökonomen: Gewiss, wir wissen nicht so genau, wer die Rebellen sind, die Gaddafi nach 42 Jahren aus dem Palast werfen; aber die Führungsleute des Aufstandes, die jetzt den Übergang organisieren, sehen eher viel versprechend aus. Besser jedenfalls als die Bundesregierung. Sie bleibt sich treu im Streit. Der Verteidigungsminister von der CDU will die Bundeswehr zum Wiederaufbau nach Libyen schicken, der Außenminister von der FDP nicht. Für eine Regierung ist es die übelste Erfahrung, nicht von der Opposition, sondern gleich gar von der Geschichte widerlegt zu werden. Berlin droht diese Blamage in Libyen zum zweiten Mal. Auch wenn sich schwer abschätzen lässt, wer da siegt, überzeugte Demokraten oder Stammesführer, und ob es einen (unerwünschten) Einfluss El Kaidas gibt: In Libyen erleben wir Tage der Freude. Mit Hilfe der Nato befreit sich ein Volk von einem der übelsten Despoten. Entsteht hier gerade eine neue Aufgabe für das westliche Verteidigungsbündnis, dem sein Ende schon lustvoll vorhergesagt worden war? Wir sollten uns mit unseren Nachbarn jenseits des Mittelmeers freuen. Und traurig über die Toten sein. Das Ende dieses Revolutionärs ist ein Blutbad.
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