Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Im Irak ist kein Frieden in Sicht. Leitartikel von Dirk Hautkapp
Essen (ots)
Fast 4500 tote US-Soldaten. Über 30000 Verletzte. Mindestens 100000 tote Iraker. Kosten von mehr als 1000 Milliarden Dollar. Der Volksverächter Saddam Hussein ist zwar Geschichte. Aber nirgends Frieden, nirgends Stabilität, nirgends eine schon so tief wurzelnde Demokratie, als dass man sie nicht über Nacht wieder herausreißen könnte. Das ist der Irak Ende 2011. Und jetzt der Truppenabzug Amerikas, der ein tief verwundetes Land in eine ungewisse Zukunft entlässt: Die Bilanz des von George W. Bush herbeigelogenen Krieges, der keine Massenvernichtungswaffen zu zerstören half, stattdessen massenhaft Vertrauen in die Supermacht USA vernichtete, ist alles in allem niederschmetternd. Der Irak-Krieg hat Amerika parallel zum Einsatz in Afghanistan militärisch überdehnt und finanziell an den Abgrund geführt. Zudem hat der Folterskandal in Abu Ghraib, um nur eine Verfehlung zu nennen, die moralische Integrität der Vereinigten Staaten als Schrittmacher der Demokratie nicht nur im arabischen Raum dauerhaft ramponiert. Präsident Barack Obama wird an der kriegsmüden Heimatfront trotzdem nur bedingt politisches Kapital daraus ziehen können, dass er jetzt einlöst, was er 2008 versprach: den Abzug aller Soldaten. Der Irak des Jahres 2012 wird aus heutiger Sicht ein weiterhin von blutigen, religiösen Bruderkämpfen zwischen Schiiten, Sunniten und Kurden gepeinigtes Land bleiben, das weder wirtschaftlich noch politisch das Rüstzeug für eine Gesundung aus eigener Kraft besitzt. Vor allem der übermächtige Iran, der von Teheran aus die Regierung in Bagdad lenkt, wird sich diese Instabilität zu Nutze machen und die Gewichte in der Golf- Region weiter verschieben. Was Obama dem wirksam entgegensetzen will, ist abgesehen von einer Militärpräsenz in der Region nicht zu erkennen. Geld für Hilfsinvestitionen, die einen sich irgendwann selbst tragenden wirtschaftlichen Wiederaufbau im Zweistromland ermöglichen würden, wird dringender für das Flicken der maroden amerikanischen Infrastruktur benötigt. Diplomatisches Kapital, um die Dinge zum Besseren zu wenden, haben die Amerikaner weitgehend aufgebraucht. Fazit: Die USA lassen einen selbst geschaffenen Unruheherd zurück, der nicht davor gefeit ist, als Staat zu scheitern - und Nebenkriegsschauplatz islamistischer Terror-Netzwerke zu werden.
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