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WAZ: Entmündigt. Kommentar von Christian Kerl

Essen (ots)

Mit diesem Vorstoß haben sich Union, FDP und SPD im Bundestag keinen Gefallen getan: Ihr Plan, Abweichlern in den eigenen Reihen das Rederecht zu beschneiden, hätte zwar im parlamentarischen Alltag nur begrenzte Auswirkungen, weil Dissidenten mit Erklärungsdrang schon jetzt die große Ausnahme sind. Aber es geht ums Prinzip.

Wer so wie Schwarz-Rot-Gelb die freie Debatte einschränken will, der verstößt nicht nur gegen den Geist des Parlamentarismus, er schadet auch dem Ansehen des Bundestags. Die parlamentarische Demokratie lebt von der Debatte. Die ist unter der Reichstagskuppel ohnehin ritualisiert und entsprechend berechenbar. Sicher, es kann nicht jeder zu allem reden, sonst legt sich der Bundestag selbst lahm. Ein Parlament mit über 600 Abgeordneten braucht Fraktionen, die Entscheidungen vorbereiten und verlässliche Mehrheiten organisieren - der Konflikt mit der Unabhängigkeit des Abgeordneten ist in der Praxis unausweichlich. Aber auf die richtige Balance kommt es an. Der jetzt geplante Maulkorb würde dem Parlament schaden. Gut, dass Präsident Lammert sich zur Wehr setzt. Noch besser wäre es, der Bundestag stellte sich gegen seine Entmündigung.

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