Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Mit Bildung gegen den Islamismus. Kommentar von Alexander Marinos
Essen (ots)
Der Stift ist mächtiger als das Schwert. Malala Yousafzai zitierte dieses alte Sprichwort damals bei ihrer Rede vor der UN-Jugendversammlung - ein Jahr nachdem Taliban-Kämpfer ihr ins Gesicht geschossen hatten, weil sie es nicht ertragen konnten, dass ein junges Mädchen das Recht auf Bildung für sich und ihre Altersgenossinnen einforderte. Ist der Stift mächtiger als das Schwert? Man fragt sich, ob ein solcher Satz, ob der Friedensnobelpreis für Malala jene Terroristen beeindrucken kann, die in diesen Tagen ihre Schreckensherrschaft in Syrien und im Irak Stück für Stück erweitern, und das alles ebenfalls angeblich im Namen des Islam. Die Antwortet lautet: ja und nein. Kurzfristig mögen die Taliban in Afghanistan und Pakistan oder die IS-Kämpfer in Syrien und im Irak ihren Einfluss weiter ausbauen. Es bedarf großer Anstrengung, ihnen mit militärischen Mitteln Einhalt zu gebieten. Die schärfste Waffe gegen sie aber ist der Freiheitsdrang ihrer eigenen Bevölkerung. Schon die Jungen und Mädchen spüren, dass sie in einer solchen Welt der religiös motivierten Unterdrückung und Angst nicht leben wollen. Sie hungern nach Bildung. Und jedes Buch, das sie lesen, jedes Wort, das sie schreiben können, vergrößert den Hunger noch - und bedroht die islamistischen Regime im Kern. In diesem Jahr hat das Nobelkomitee in Oslo eine gute, eine glückliche Wahl getroffen. Dass es nicht nur eine mutige pakistanische Schülerin ehrt, sondern auch einen indischen Kinderrechtsaktivisten, ist zudem ein wichtiges Signal an die beiden verfeindeten Atommächte. Aus deutscher Sicht freilich darf man auch ein wenig enttäuscht sein. 25 Jahre nach dem Fall der Mauer wäre es nicht abwegig gewesen, jenen Mann zu ehren, der als überzeugter Europäer und Kanzler der Einheit in die Geschichte eingehen wird: Helmut Kohl. Die friedliche Revolution auf deutschem Boden hat die Welt nachhaltig verändert, hat sie friedlicher und freier gemacht. Kohl war es, der die Gunst der Stunde nutzte. Wann wenn nicht jetzt hätte er dafür ausgezeichnet werden sollen? Diese Ehre wird ihm wohl nicht mehr zuteil werden.
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