Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Lebenslang für die Eltern: Der Fall Jessica - Kommentar von Birgitta Stauber-Klein
Essen (ots)
Es sind diese Geschichten, die wir nicht ertragen können. Diese Tragödien, die bekannt werden, weil die Opfer sie nicht überlebten. Jessica, Justin, Tim, die zu Tode gequälte Karolina, die Kinderknochen in Blumenkästen.
Was kann schlimmer sein, als sein eigenes Kind zu töten? Es bis zum Tode zu vernachlässigen? Es zu missbrauchen und zu quälen? Warum hat niemand diese Kinder vor ihren Eltern gerettet?
Eltern, die zu den schlimmsten Feinden ihrer Kinder geworden sind. Dabei ist es ihre Aufgabe, das Kind bedingungslos zu lieben, ihm Geborgenheit zu geben, es vor allen Gefahren zu schützen. Es nach bestem Wissen und Gewissen großzuziehen.
Wissen und Gewissen: Das sind die Sollbruchstellen. Wer nicht weiß, dass ein Baby womöglich Trost braucht, wenn es schreit (oder etwas zu essen, Schlaf, eine Decke, oder alles zusammen), wird es womöglich bestrafen. Wer nicht weiß, dass man ein Baby gar nicht bestrafen kann, wird nicht ertragen, dass es weiter schreit. Er wird es weiter bestrafen. Wenn der Erwachsene die Schmerzen, die er dem Kind zufügt, nicht mitfühlen kann, wenn er keine Scham, keine Schuld empfindet, nimmt die Tragödie seinen Lauf.
Was ein Kind braucht, wie es fühlt das schlicht zu wissen, kann im Alltag eine große Hilfe sein. Deshalb die erste Forderung: Elternkurse sollten so selbstverständlich sein wie die von den Krankenkassen bezahlten Geburtsvorbereitungskurse und die Rückbildungsgymnastik. Die Zweite: Überforderte, emotional verarmte und damit gefährdete Eltern sollten schneller sowohl Beistand als auch Druck von den Behörden bekommen.
Doch bei aller Mahnung: Derartige Todesfälle sind kein Phänomen der Zeit. Es hat sie immer gegeben. Sie künftig gänzlich zu vermeiden, wird nicht möglich sein so weit kann keine Kontrolle reichen, so groß kann der Einfluss von verpflichtenden Elternkursen oder Arztbesuchen nicht sein.
Sein Kind zu töten, es qualvoll über Jahre hinweg verhungern zu lassen, kann nicht erklärt werden mit gesellschaftlichen Umständen oder Kindheitserfahrungen. Sein Kind zu töten, ist ein schweres Verbrechen. Die Richter im Fall Jessica konnten gar nicht anders urteilen.
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