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WAZ: Kommentar von Ulrich Reitz: Die ersten Erfolge der Kanzlerin

Essen (ots)

Kanzler Schröder, Kanzlerin Merkel – lassen sich die
beiden schon vergleichen? So sicher nicht, aber über den Zauber des
Neubeginns lässt sich einiges sagen. Vor allem dies: Schröder hat mit
seiner Koalition gleich zwei Mal (1998 wie 2002) einen Anfang
vergeigt, Merkel hat, alles in allem, einen ordentlichen Start
hingelegt.
Die große Koalition definiert sich als Arbeits-Bündnis. Sie
vermeidet jeden Anschein, überheblich ein gesellschaftliches
„Projekt” sein zu wollen. Das passt nicht nur in die Zeit der
ungeschminkten Wahrheiten, in diese Zwischenperiode nach einer Krise
mit rezessiven Zügen und vor einem hoffentlich durchdringenden
Aufbruch; es findet zugleich seine Entsprechung im handelnden
Personal, dem man einen ausgesprochenen Sinn für Eitelkeiten und eine
Schwäche für Posen gerade nicht nachsagen kann. Auch ist von der
handwerklichen Schludrigkeit, Markenzeichen der zwei
Schröder-Perioden, jedenfalls bis dato nicht viel erkennbar. Merkel
will das Solide zu ihrem Etikett machen, und die SPD hat gelernt,
dass Aktionismus ohne Sorgfalt weitaus mehr schadet als nutzt.
Stil bildend aber wirkt vor allem Merkel selbst. Sie feiert nicht
einmal ihre offensichtlichsten Erfolge; sie geriert sich öffentlich
fast so, als müsste ihr das peinlich sein. So hat sie sich nach dem
Gipfel-Durchbruch weder selbst in Szene gesetzt noch ihre Vertrauten
mit entsprechendem Marketing-Auftrag losgeschickt. Für das größte Lob
Merkels haben nicht die „Spin-Doktoren” der Regierungschefin gesorgt,
sondern die selbstbewusst-unabhängige europäische Presse – wobei: So
einhellig und geradezu euphorisch wie Merkel nach dem Gipfel, ist
selten zuvor ein europäischer Staatenlenker gelobt worden.
Diesen, ihren bislang als Kanzlerin größten Erfolg (nach dem, „es”
überhaupt zu werden), verdankt Merkel vor allem der Treue und dem
Zutrauen zu sich selbst. Im Gespräch mit den Groß-Gockeln Chirac und
Blair war sie halt wie immer: nüchtern, hemmungslos sachorientiert,
aber nicht ohne Charme. Wobei man sich einen solchen Gipfel durchaus
vorstellen muss als „old-boys-network”, Motto: Männer machen
Geschichte. Will sagen: Merkel hat ihren Anfangserfolg auch
eingestrichen, weil sie eben anders ist und agiert als die Anderen.
Ihre Leistung liegt nicht nur im taktischen Geschick, sondern auch
in der langen Linie. Ohne Brimborium verschiebt sie die Koordinaten
deutscher Außenpolitik – Deutschland als ehrlicher Makler zwischen
Frankreich und Großbritannien, als Sachwalter der Osteuropäer, als
Team-Spieler und Interessenvertreter der Kleinen. So war es mal und
so wird es nun wieder.
Geschickt hat Merkel es vermieden, sich in die Untiefen der CIA-
Affäre hineinziehen zu lassen. Und zum Schluss hatte sie – Fall
Osthoff – auch noch Fortune. Für den Anfang ist das nun wahrlich
nicht wenig.

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