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WAZ: Mehr als ein großer Unfall - Kommentar von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Tote, Schwerverletzte, großes menschliches Leid.
Nicht durch Terror, womit die Öffentlichkeit wohl betreffs dieser 
Dinge als erstes hätte rechnen können, sondern durch die Tücken der 
Technik. Wobei sich als größter Risikofaktor einmal mehr nicht die 
Technologie selbst entpuppt, sondern der wirkungsmächtigste aller 
denkbaren Versagensfaktoren. Er zeigt auf den Erfinder von alledem, 
auf den Menschen selbst.
Jenseits der betroffenen Einzelnen, ihrer Angehörigen, ihrer 
Kinder, für die diese Katastrophe lebensprägend sein wird - was 
bleibt sonst noch festzustellen? Diese Zeilen wurden in Peking 
geschrieben, der Bundesverkehrsminister war gerade da, und teilte 
gestern Abend mit, er eile nun unverzüglich nach Deutschland zurück. 
Fragen nach weiteren Konsequenzen jenseits der menschlichen wollte er
nicht beantworten. Und doch stellen sie sich gerade jetzt - mit aller
Macht.
Die einfache Frage, die Chinesen jetzt stellen, wo der Transrapid
nicht als Touristenattraktion läuft, sondern als Verkehrsmittel 
zwischen der Innenstadt von Schanghai und dem Flughafen, lautet: Wenn
nicht einmal die Deutschen, diese Perfektionisten, jene Technologie 
Transrapid unfallfrei beherrschen können, wie sollten dann wir, die 
Chinesen es tun, wo der öffentliche Verkehr immer noch keine rundweg 
geordnete Angelegenheit ist, sondern außerordentlich viel zu tun hat 
mit der Bewältigung von Chaos?
In Emsland waren 29 Menschen im Zug - in China wären es hunderte,
tausende gewesen. Eine Prognose liegt auf der Hand: Es werden keine 
24 Stunden vergehen, da wird diese Katastrophe auf deutschem Boden 
den Rest der Welt beschäftigen. Genau jenen Teil, wo Deutschland als 
verlässlicher Technologielieferant, als Garant von Prozess-Sicherheit
einen überaus guten Namen hat. Freitagabend erzählten chinesische 
Manager, diese Katastrophe hätte zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt 
geschehen können.
Noch gestern hat der deutsche Verkehrsminister angekündigt, den 
Transrapid zwischen dem Münchener Flughafen und der bayerischen 
Landeshauptstadt durchsetzen zu wollen. Bayern selbst, der 
Ministerpräsident an der Spitze, wollte sich mit diesem Stück 
Avantgarde vor den Augen aller Welt schmücken. Und jetzt? Was werden 
die Menschen heute, morgen in Bayern nun sagen? Jenseits des 
erlittenen, umfassenden menschlichen Leidens: Es ist mehr passiert 
als ein großer Unfall. Deutschland hat als Standort des Vertrauens 
großen Schaden genommen.

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Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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