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WAZ: Polens Premier in Berlin: Genügend Gründe für Offenheit - Kommentar von Hendrik Groth

Essen (ots)

Die Aufgeregtheiten rund um den angeb- lichen
Beschuss eines deutschen Butterdampfers in polnischen Gewässern haben
sich vor zwei Wochen schnell gelegt. Dennoch macht die Episode 
deutlich, dass es im aktuellen deutsch-polnischen Verhältnis trotz 
gemeinsamer EU- und Nato-Partnerschaft nicht stimmt. Sowohl Berlin 
wie Warschau scheinen hochsensibilisiert, scheinen nervös entweder 
nach Osten oder Westen zu schauen, scheinen den anderen nicht mehr 
verstehen zu wollen.
Für die deutsche Politik stellt sich die Frage, können die 
Schlussfolgerungen aus der Analyse der aktuellen polnischen 
Regierungsarbeit direkt angesprochen werden oder sucht man mit Blick 
auf den Zweiten Weltkrieg diplomatische Kanäle oder Hilfe bei 
Verbündeten? Grund für offene Gespräche gibt es genug.
In Warschau regiert eine rechtspopulistische Koalition, die mit 
Ressentiments gegen Deutschland und Europa die Wahlen gewonnen hat. 
Am Kabinettstisch in Warschau sitzen Männer, die die in der 
Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschriebene Ächtung der 
Todesstrafe ablehnen, die Homosexuelle als abartig bezeichnen und 
wegen einer Karikatur die linke TAZ mit dem NS-Schundblatt Stürmer 
vergleichen. Auch wenn das gegenüber Polen ungeschickte 
Hauruck-Vorgehen des früheren Basta-Kanzlers Schröder bei der mit 
Russland geplanten Ostsee-Pipeline durchaus kritikwürdig ist, 
verbieten sich die polnischen Anspielungen auf den 
Hitler-Stalin-Pakt. Die derzeit in Polen Verantwortlichen erweisen so
ihrem Land schon jetzt und mittelfristig ihrem eigenen Machtanspruch 
einen Bärendienst.
Fänden jetzt Neuwahlen statt, säßen die Populisten wieder auf den
Oppositionsbänken. Die Mehrheit der Polen will eine engere 
europäische Zusammenarbeit und sieht in Deutschland einen guten, 
verlässlichen Nachbarn. Die polnische Regierung gaukelt indes 
verängstigten Landsleuten vor, Rechtssicherheit gegenüber angeblich 
aggressiven Deutschen garantieren zu können. Dafür muss sie der 
Vertriebenen-Präsidentin Steinbach eine Rolle zuschanzen, die diese 
jenseits von Oder und Neiße völlig überschätzte Politikerin in 
Deutschland überhaupt nicht inne hat. Polens Administration belegt 
unfreiwillig, dass sie weder die EU noch die Nato verstanden hat. 
Diese zwei Bündnisse fußen auf Werten, die jeden Revanchismus 
unmöglich machen. Mehr Sicherheit geht nicht. Mehr Gelassenheit tut 
not. Europa braucht ein beispielhaftes deutsch-polnisches Verhältnis,
ähnlich der deutsch-französischen Freundschaft.

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Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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