Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Polit-Gerangel gefährdet Jobs: Airbus droht der Absturz - Leitartikel von Joachim Rogge
Essen (ots)
Man soll sich nicht täuschen: Die jüngste Krise, die Airbus erschüttert, wiegt weit schwerer als all die vorangegangenen Scharmützel um Posten und Proporz. Es geht um nicht weniger als um grundsätzliche Weichenstellungen für die Zukunft des trudelnden Flugzeugbauers.
Das Hauen und Stechen zwischen Deutschen und Franzosen an der Spitze des Mutterkonzerns EADS freilich verunsichert nicht nur die Beschäftigten, die um ihre Jobs bangen. Der handfeste Familienknatsch bringt Airbus selbst, vor kurzem noch der Stolz europäischer Zusammenarbeit, in höchste Gefahr. Der Airbus-Geburtsfehler rückt ins grelle Licht: Niemand ist bereit, zu Gunsten des unternehmerischen Erfolges, den sich schließlich alle Beteiligten für Airbus wünschen, auf politischen Einfluss zu verzichten.
Betriebliche Logik steht bei Airbus seit jeher an zweiter Stelle. Inzwischen wächst sich die immer unverhülltere politische Einflussnahme zu einer ernsten Gefahr aus. Seit das Unternehmen am Scheideweg steht, werden die Grenzen des fein austarierten deutsch-französischen Gleichgewichts an der EADS-Spitze überdeutlich. Beide Seiten blockieren sich, setzen nun darauf, dass Frankreichs Präsident und Deutschlands Bundeskanzlerin sich auf allerhöchster Ebene verständigen, wo Airbus künftig welchen Flugzeugtyp fertigen lässt. Eine geradezu absurde Situation. Nie war das Misstrauen auf beiden Seiten des Rheins größer als heute.
Die deutsche Furcht, vom französischen Partner bei der Krisenlösung über den Tisch gezogen zu werden, ist zwar nicht von der Hand zu weisen. Dies darf aber trotzdem nicht den nüchternen Blick auf das unternehmerisch Naheliegende bei Airbus trüben. Woran das Unternehmen im Inneren krankt, ist seit langem bekannt: Zu hohe Kosten, eine zu aufwändige industrielle Fertigung, eine Zersplitterung der Kräfte auf zu viele Standorte. Die Folge: Trotz voller Auftragsbücher fehlen Airbus nach den Fehlplanungen beim Riesenflieger A 380 die Mittel, um neue Flugzeugmodelle, die immerhin die Zukunft des Konzerns auf lange Sicht sichern sollen, zu entwickeln.
Ein Kraftakt ist nötig, um Airbus auf kräftige Beine zu stellen, mit spezialisierten Standorten, weniger Personal, mit wenigen Zulieferern, die sich auch finanziell weit mehr als bislang schon im Vorfeld engagieren. An dieser Pille führt kein Weg vorbei, wenn Airbus eines Tages wieder zu Boeing, das eine vergleichbare Rosskur längst hinter sich hat, aufschließen soll.
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