Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Scheich Mohammeds Aussage: Das Geständnis ist nicht viel wert - Leitartikel von Markus Günther
Essen (ots)
Eine Nachricht geht um die Welt: Scheich Mohammed, der berüchtigte El-Kaida-Terrorist, hat ein Geständnis abgelegt; die Anschläge am 11. September 2001 waren sein Werk. Doch man achte auf die Feinheiten: "Angeblich", so heißt es in allen Meldungen, soll Scheich Mohammed gestanden haben, oder auch "nach Angaben des Pentagon". Warum soviel Zweifel an einem vollkommen plausiblen Geständnis? Warum gilt das Misstrauen nicht dem Mörder, sondern seinen Anklägern? Tatsächlich ist das Geständnis nicht viel wert. An rechtsstaatlichen Maßstäben gemessen würde es keiner Prüfung standhalten und in jedem Strafprozess als nichtig verworfen.
Chalid Scheich Mohammed wurde vor vier Jahren gefasst und seither an verschiedenen geheimen Orten von der CIA und der Armee festgehalten. Letzten September wurde er in das Gefangenenlager Guantánamo verlegt. Der Zugang zu Anwälten wurde ihm in diesen Jahren genauso rigoros verweigert wie ein Haftprüfungstermin; Anklage gegen ihn wurde bis heute nicht erhoben. Das jetzt veröffentlichte Protokoll entstammt der nach vier Jahren ersten richterlichen Anhörung, mit der überprüft werden sollte, ob Mohammed in die von der Regierung Bush geschaffene Kategorie des "feindlichen Kämpfers" fällt. Und auch diese Anhörung fand in Guantánamo statt.
Schließlich bleibt die Frage, mit welchen Methoden der El-Kaida-Terrorist verhört wurde. Er war schon in den Händen der CIA, als die Regierung Bush die Anwendung der Genfer Konventionen für "feindliche Kämpfer" noch ausdrücklich ablehnte und Methoden wie Schlafentzug und das berüchtigte "water boarding" zur Herstellung von Ertrinkungsangst zulässig fand. Mohammeds Antworten auf Fragen nach seiner Behandlung sind in dem jetzt veröffentlichten Protokoll geschwärzt.
Es liegt allein in der Verantwortung der US-Regierung, dass man mit dem Massenmörder, der auf dem einzigen Foto aus seiner Gefangenschaft so harmlos und müde aussieht, fast schon wieder Mitleid hat und dass man den Kern der Nachricht beinahe überliest: Aus Mohammeds Worten spricht unbändiger Hass, er plante Anschläge auf Atomkraftwerke und Ex-Präsidenten wie Jimmy Carter, er hat Tausende auf dem Gewissen und hätte lieber Hunderttausende umgebracht. Gegen diesen Wahn aus Hass und Gewalt muss es eine internationale Koalition der Vernunft geben. Doch die Regierung Bush hat mit ihrer Radikalität den dringend notwendigen Anti-Terror-Kampf diskreditiert und neue Sympathisanten in die Hände der Fanatiker getrieben.
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