Aktuelle Lovells Umfrage unter Europäischen Unternehmensjuristen: Rechtsstreitigkeiten werden zum Sorgenkind
Frankfurt am Main (ots)
In dem heute veröffentlichten Bericht "The Shrinking World" der internationalen Anwaltssozietät Lovells LLP werden Kernfragen der Abwicklung von Rechtsstreitigkeiten aus Sicht europäischer Unternehmensjuristen beleuchtet. Der Bericht basiert auf einer Befragung von 180 Unternehmensjuristen der größten europäischen Unternehmen in Frankreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich.
Regulatorische Streitigkeiten mit zunehmender Bedeutung
Knapp die Hälfte der Unternehmensjuristen in den fünf befragten Wirtschaftsräumen betrachten Konflikte mit Aufsichts- und Regulierungsbehörden als eines der größten Probleme der kommenden drei Jahre.
Obwohl die Zahl der regulatorischen und Compliance-Streitigkeiten gering ist (in den letzten drei Jahren 3%), werden diese als zweitwichtigstes Thema angesehen: 45 % der Befragten schätzen sie als mittleres bis hohes Risiko ein. An erster Stelle stehen wirtschafts- und vertragsrechtliche Auseinandersetzungen, die hauptsächlich Beziehungen zu Kunden und Zulieferern betreffen: diese werden von drei Viertel der Unternehmensjuristen als mittleres bis hohes Risiko eingestuft. Ebenfalls als Risikobereiche gelten Arbeitsrecht (44 %) und Produkthaftung (39 %).
Einer der befragten Teilnehmer sagte: "Wichtig ist, dass man eine Managementstrategie zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten hat."
Lawson Caisley, Partner bei Lovells London im Bereich Dispute Resolution und verantwortlich für den Bericht, sagte:
"Da größere Streitigkeiten im Zusammenhang mit regulatorischen oder Compliance-Angelegenheiten mit erheblichen finanziellen Risiken und einem möglichen Imageverlust verbunden sind, müssen diese äußerst vorsichtig gelöst werden. Das Problem ist, dass Konflikte dieser Art so selten sind, dass viele Unternehmensjuristen möglicherweise kaum Erfahrung mit deren Abwicklung haben.
Regulatorische Streitigkeiten können für internationale Unternehmen erhebliche grenzübergreifende Risiken bergen, da die Aufsichts- und Regulierungsbehörden anderer Länder die Situation beobachten und möglicherweise eigene Ermittlungen einleiten.Außerdem können regulatorische Streitigkeiten ein Wegbereiter für Zivilklagen betroffener Kunden oder Investoren sein."
Geringe Praxiserfahrung und Rechtskenntisse als Hauptprobleme beim Umgang mit grenzüberschreitenden Streitigkeiten
Ein Drittel der Befragten (32 %) nannte geringe Praxiserfahrung mit grenzüberschreitenden Streitigkeiten als größtes Hindernis im Umgang mit grenzüberschreitenden Konflikten, an zweiter Stelle standen mangelnde Kenntnisse über das relevante Rechtsgebiet und prozessuale Besonderheiten (26 %).
Ein Unternehmensjurist hierzu: "Die Schwierigkeit besteht darin, die verschiedenen Rechtssysteme zu kennen und anzuwenden - man muss sie sowohl in der Theorie als auch in der Praxis beherrschen."
Lawson Caisley fügte hinzu:
"Die Abwicklung von Rechtsstreitigkeiten im eigenen Land fällt Unternehmensjuristen relativ leicht. Wenn es dagegen um Streitigkeiten im Ausland geht, besteht große Unsicherheit gegenüber den dort möglichen unbekannten Gegebenheiten, besonders dann, wenn sich das dortige Rechtssystem grundlegend von dem im eigenen Land unterscheidet. Diese Unterschiede werden meist dann sichtbar, wenn Rechtsanwälte aus kontinentaleuropäischen Rechtssystemen Streitigkeiten in Ländern im Rechtskreis des Common Law lösen sollen - und umgekehrt."
Dr. Detlef Haß, Partner bei Lovells Muenchen im Bereich Dispute Resolution und verantwortlich für die deutsche Dispute Resolution Praxis von Lovells, sagte:
"Bei internationalen Rechtsstreitigkeiten sind die Parteien nicht nur unterschiedlichen materiellen und prozessualen Rechtssystemen ausgesetzt. Sie sind auch eingebettet in unterschiedliche Kulturen, die verschieden an die Lösung, Vergleichsgespräche und Themen wie Discovery oder Datenschutz und Geheimhaltung herangehen. Da heute Konflikte nach den internen Konfliktregeln in Unternehmen zumeist proaktiv gemanaged werden sollen, ist der Anspruch an Unternehmensjuristen viel höher, auch in diesem schwierigen Umfeld zum Erfolg zu kommen. Damit wächst die Unsicherheit gerade in diesen Fällen, da der Erfolgsdruck größer und häufig die zur Verfügung stehende Erfahrung geringer ist."
Streitigkeiten in USA, China und Russland bereiten Kopfzerbrechen
Auf die Frage, welche Absatzmärkte ihnen bei der Abwicklung grenzüberschreitender Rechtsstreitigkeiten am meisten Kopfzerbrechen bereiten würden, nannten Firmenanwälte die USA (29 %), China und Russland (jeweils 16 %). Fast ein Drittel der Befragten (31 %) hat den Eindruck, dass grenzüberschreitende Rechtsstreitigkeiten in den letzten drei Jahren tendenziell zugenommen haben.
Hierzu Marc Gottridge, US-Managing Partner bei Lovells:
"Es gibt eine Reihe von Faktoren, die die Prozessführung in den USA für nicht-amerikanische Rechtsanwälte besonders erschweren können. Hierzu gehören nicht zuletzt die Komplexität des US-amerikanischen Bundesstaatensystems mit seiner Vielzahl von Gerichten, Staatsanwaltschaften und Regulierungsbehörden auf Staats- und Bundesebene, aber auch die Tatsache, dass man Firmen dort traditionell genauso strafrechtlich verfolgt wie Einzelpersonen und damit die strafrechtliche Ermittlung und Verfolgung als effizientes Mittel der Kontrolle einsetzt."
Douglas Clark, Local Managing Partner des Lovells Büros in Schanghai, erklärte:
"Immer mehr ausländische Firmen nutzen in China den gerichtlichen Weg der Streitbeilegung, häufig auch mit Erfolg. Die obersten Richter und die Regierung bestätigen zwar, dass Korruption und der Mangel an qualifizierten Richtern insbesondere außerhalb größerer Städte immer noch Probleme bereiten. Dennoch sind die Gerichte in den letzten fünf bis sieben Jahren zunehmend neutraler und professioneller geworden. Wenn eine Partei überzeugende Argumente hat, kann sie mit einem relativ günstigen Ausgang rechnen, insbesondere, wenn sie ihren Fall in einer größeren Stadt wie Schanghai oder Peking vor Gericht bringt. Dort kommt der Einfluss der Politik - abgesehen von großen Fällen - tendenziell weniger zum Tragen und es gibt eine Vielzahl gut ausgebildeter Richter. "
Dominic Pellew, Partner im Bereich Litigation im Moskauer Büro von Lovells, fügte hinzu:
"Ausländische Investoren haben Bedenken hinsichtlich der Qualität der Gerichte und der Unabhängigkeit des Gerichtswesens in Russland. Sie haben das Gefühl, dass man gerichtliche Auseinandersetzungen besser vermeiden sollte, die Vollstreckung eines Schiedsspruchs aber ebenfalls Probleme birgt - also gibt es keine verlässliche Alternative. Es ist jedoch möglich, erfolgreiche Prozessführungsstrategien zu entwickeln. Zum Beispiel könnten Gerichtsverfahren oder die Vollstreckung von Schiedssprüchen außerhalb Russlands durchgeführt werden."
Wahrung eines guten Images wichtiger als Kosten bei der Entscheidung für oder gegen eine gerichtliche Auseinandersetzung
Bei der Entscheidung, ob man einen Rechtsstreit vor Gericht austrägt oder außergerichtlich löst, ist ein möglicher Imageverlust das maßgebliche Entscheidungskriterium, dicht gefolgt von den finanziellen Kosten im Falle des Unterliegens und der Auswirkung auf Geschäftsbeziehungen und Kunden. Als am wenigsten gewichtiges Entscheidungskriterium eingestuft wurde eine Rechtfertigung für ein mögliches Unterliegen gegenüber den Aktionären.
Weitere Ergebnisse der Umfrage:
- In den letzten drei Jahren zeichnete sich im Bereich Dispute Resolution ein sehr starker Trend zur zunehmenden Nutzung von Schiedsverfahren und Mediation als Alternativen zur Prozessführung (31 %) ab, gefolgt von Maßnahmen zur Konfliktvermeidung (22 %) und dem Einfluss verstärkter Verbraucherrechte und damit verbundener Rechtsstreitigkeiten (14 %).
- Knapp ein Viertel der Befragten (22 %) gab an, dass ihrem Unternehmen eine Sammelklage angedroht oder es mit einer solchen ueberzogen wurde. Unternehmensjuristen in Frankreich sehen sich am häufigsten mit Sammelklagen konfrontiert (33 %), wohingegen in Italien nicht einmal ein Sechzehntel (6 %) hiervon betroffen ist.
- In den letzten drei Jahren verzeichneten mehr Firmen eine Zu- als eine Abnahme der Rechtsstreitigkeiten. Etwa ein Drittel der Befragten (38 %) gab an, dass die Anzahl der Rechtsstreitigkeiten gestiegen sei. Weniger als ein Drittel (14 %) stellte dagegen fest, dass die Anzahl der Rechtsstreitigkeiten im gleichen Zeitraum gesunken sei.
- Unternehmensjuristen verwenden mehr Zeit auf das Management von Prozessführung und Streitigkeiten als auf irgendeinen anderen Bereich ihrer Zuständigkeiten. Der Aufwand für Prozessführung und Streitigkeiten nimmt mehr als ein Viertel der Arbeitszeit eines Unternehmensjuristen in Anspruch (28 %), allgemeine handelsrechtliche Beratung dagegen nur 22 % und strategische Beratung der Unternehmensführung 13 %.
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