IGBCE Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie
IGBCE legt Programm zur Bekämpfung der Industriekrise vor
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Konjunktur anschieben, Strukturkrise bekämpfen:
IGBCE legt "Wirtschaftspolitische Leitlinien für
eine zukunftsfähige soziale Marktwirtschaft“ vor
Die IGBCE als Gewerkschaft der Beschäftigten in den energieintensiven Branchen hat ein umfangreiches Strategie- und Maßnahmenpaket vorgelegt, um den Industriestandort aus der Krise und insgesamt die Wirtschaft des Landes wieder zurück auf den Wachstumspfad zu bringen.
Entsprechende „Wirtschaftspolitische Leitlinien für eine zukunftsfähige soziale Marktwirtschaft“ hat der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis heute auf einer gewerkschaftsinternen Veranstaltung in Hannover präsentiert. Sie sollen die Positionierung der IGBCE mit Blick auf den bevorstehenden Bundestagswahlkampf, die anschließende Regierungsbildung und den 8. Ordentlichen Gewerkschaftskongress im Herbst schärfen.
„Eine unheilvolle Mischung aus konjunkturellen und strukturellen Problemen droht die Industrie in eine Abwärtsspirale zu ziehen, die unseren gesamtgesellschaftlichen Wohlstand gefährdet“, sagte Vassiliadis. „Deutschland braucht im ersten Schritt ein schnell wirksames Konjunkturprogramm, um dann im zweiten Schritt mit mittelfristigen Strukturverbesserungen zurück zu einem nachhaltigen Wachstums- und Fortschrittspfad zu finden.“
Das Konjunkturprogramm als schnell wirksame Sofortmaßnahme müsse zum einen die dramatische Investitionsschwäche im Land bekämpfen, zum zweiten die Binnennachfrage wieder in Gang bringen.
Investitionsanreize ließen sich dabei durch befristete Investitionszulagen und Superabschreibungen setzen sowie durch eine Senkung der Körperschaftsteuer, die im OECD-Vergleich deutlich über dem Niveau anderer Industrieländer liegt. Vorschläge für einen „Made in Germany“-Fond, der Investitionen zielgerichtet fördert, bezeichnete Vassiliadis in dem Zusammenhang als „überzeugendes Konzept zur zielgerichteten Investitionsförderung, das nicht ,Germany First‘, aber ,Germany Based‘ zum Ziel hat“. Darüber hinaus brauche es eine politische Garantie, dass der Strompreis für mindestens zwei Jahre stabil bleibe. Dazu gehöre der Verzicht auf staatliche Zusatzkosten wie Netzentgelte, Stromsteuer oder auch die CO2-Bepreisung.
Um die Nachfrage anzuschieben seien neben der Abschaffung der kalten Progression ein höherer Mindestlohn, angemessene Tariferhöhungen und eine Steigerung der Tarifbindung durch ein Tariftreue-Gesetz die richtigen Instrumente.
Ein auf Investitionen und Wachstumsimpulse fokussiertes Konjunkturprogramm lasse sich aus dem Bundeshaushalt finanzieren – „unter Nutzung der Spielräume, die eine zwingend zu modernisierende Schuldenbremse einräumt“, heißt es in dem Leitlinien-Papier. Zusätzliches Wachstum werde die zugrundeliegenden Maßnahmen zeitversetzt finanzieren.
Um die Strukturkrise in der Industrie zu bekämpfen, fordert das Papier eine grundlegende Neuausrichtung der Transformationspolitik, eine Produktivitätsoffensive der Industrie und eine europäische Einbettung und Unterstützung der Reformvorhaben.
Die bisherige Transformationspolitik habe das Versprechen, es werde zu Wettbewerbsvorteilen und neuem, grünem Wachstum führen, bislang nicht eingelöst – im Gegenteil: „Die Erfolge sind begrenzt und die Folgen der bisherigen Transformationspolitik von zerstörerischer Wirkung für die wirtschaftlichen und globalen Grundlagen“, schreibt Vassiliadis in dem Leitlinien-Papier. Der Fokus sei zu stark auf die Erreichung der Klimaziele gesetzt, industriepolitische Aspekte wie internationale Wettbewerbsfähigkeit vernachlässigt worden. Gleichzeitig habe der Staat nicht geliefert: „Es gibt eine größer statt kleiner werdende Diskrepanz zwischen den gesetzlichen Ansprüchen einerseits und den dafür zu schaffenden staatlichen Infrastrukturvoraussetzungen andererseits.“
Für die IGBCE ist daher notwendig, die Transformationspolitik in ein neues „magisches Dreieck“ einzubinden: Treibhausgasreduktion, Wirtschaftlichkeit, soziale Gerechtigkeit. Konkret fordert das Papier unter anderem
- gesicherten Grünstrom zu Wettbewerbspreisen, CO2-Speicherung und einen garantierten Ausbau des Wasserstoffnetzes für die energieintensiven Industrie,
- Schutz und Nachteilsausgleich gegenüber Klimadumping von Wettbewerbern – bei der öffentlichen Auftragsvergabe, mit Klimaschutzverträgen und Grenzausgleichsmechanismen,
- die Fokussierung auf Förderung von Wertschöpfungsketten statt Endprodukten – zum Beispiel durch eine radikale Vernetzung der Wertschöpfung für E-Autos.
„Die Transformation bleibt – richtig gemacht – eine große Chance für den Industriestandort, denn sie bedeutet Investition und Modernisierung“, so Vassiliadis. Standorte, in die solcherart Kapital und Know-how geflossen seien, würden so leicht nicht verlagert. „Auf dem Weg dorthin brauchen wir jetzt aber maximalen Pragmatismus und maximale Erfolgsorientierung.“
Die unzureichende Investitionstätigkeit der vergangenen Jahre spiegelt sich inzwischen auch in den Produktivitätskennziffern der Industrie. In der Chemie beispielsweise ist sie mit einer Ausnahme seit 2018 rückläufig. Das kostet Wettbewerbsfähigkeit. Die IGBCE fordert, die Investitions- mit einer Produktivitätsoffensive zu verbinden – und zwar so, dass damit Produktion, Beschäftigung und Zukunftschancen gesichert werden und nicht Jobs in Gefahr geraten. Ansiedlungspolitik, Förderprogramme, Bildungs- und Forschungspolitik müssten konsequent darauf ausgerichtet werden, neue technologische Spitzenpositionen aufzubauen.
Zur Finanzierung der Jahrhundertaufgabe Transformation fordert die IGBCE ein generationsübergreifendes Sondervermögen. „Das ist gerechtfertigt und angebracht, weil es dabei um Investitionen in einen erneuerten Kapitalstock und um die ökologische und ökonomische Zukunftssicherung geht“, heißt es dazu im Papier.
Neben den bekannten Instrumenten schlägt sie zu dessen finanzieller Ausstattung eine einmalige Vermögensabgabe vergleichbar dem „Lastenausgleich“ 1949 zur Finanzierung des Wideraufbaus nach dem Krieg vor. Selbst mit einer Abgabe, die sich auf wenige Prozent der vermögendsten Deutschen konzentriere, ließe sich eine so dreistellige Milliardensumme für die Modernisierung des Landes erzielen. „Wir brauchen auch in der finanzpolitischen Debatte einen Neubeginn, der sich auf die Aufgabe des Staates in der Sozialen Marktwirtschaft besinnt, zu einer gerechten Verteilung von Einkommen, Wohlstand und Zukunftschancen beizutragen.“
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