Gebrauchte Lithium-Ionen-Akkus nach Afrika spenden? Klare Regeln dringend nötig
Ein Dokument
Gemeinsame Pressemitteilung des Öko-Instituts, PAN-Ethiopia, Centre for Sustainable Cycles, Center for Justice Governance and Environmental Action und SRADev
Addis Abeba/Freiburg/Koforidua/Lagos/Mombasa
20. Juni 2022
Gebrauchte Lithium-Ionen-Akkus nach Afrika spenden? Klare Regeln dringend nötig
Der Export von gebrauchten Lithium-Ionen-Batterien für Second-Life-Anwendungen aus Europa nach Afrika muss klaren Regeln folgen und besser kontrolliert werden. Das fordern Forschende und Umweltschützende des Öko-Instituts (Deutschland), von PAN-Ethiopia (Äthiopien), dem Centre for Sustainable Cycles (Ghana), dem Center for Justice Governance and Environmental Action (Kenia) und von SRADev (Nigeria).
Das zweite Leben von Lithium-Ionen-Akkus: In Afrika oder in Europa?
Angesichts der aktuell rasant wachsenden Zahl gebrauchter Batterien aus Elektrofahrzeugen, Bussen und E-Scootern wird die Frage nach einem ordnungsgemäßen End-of-Life-Management immer dringlicher (siehe Infografik). In der Europäischen Union werden zwar Recyclingkapazitäten aufgebaut, die Logistik- und Recyclingprozesse sind jedoch in der Regel mit erheblichen Kosten verbunden.
"Derzeit sehen wir einen Trend, gebrauchte Batterien an andere Länder zu 'spenden'", sagt Batterieforscher Dr. Johannes Betz vom Öko-Institut. Viele Hersteller argumentieren, dass gebrauchte Batterien noch eingesetzt werden können – zum Beispiel bei Solarprojekten in Afrika. Immer mehr Projekte und Pressemitteilungen loben diesen sogenannten Repurposing-Ansatz als Lösung. "Die Wiederverwendung gebrauchter Lithium-Ionen-Batterien kann sicherlich viele Vorteile für die Umwelt bringen", sagt Betz. "Aber angesichts des großen Bedarfs an Stromspeichern in Deutschland und der EU ist schwer zu verstehen, warum der Fokus auf dem Transport alter Batterien in Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen liegt."
Hochwertige Batterien für Solarprojekte in Afrika
"Wir haben hier in Äthiopien einen sehr hohen Bedarf an Stromspeichern – vor allem in den kommenden Jahren", sagt der Gründer und Geschäftsführer der äthiopischen NGO „PAN-Ethiopia“, Dr. Tadesse Amera. "Kleine und mittlere Solarlösungen mit Batteriespeichern spielen in vielen ländlichen Gemeinden eine entscheidende Rolle für saubere Energie. Wir benötigen jedoch keine minderwertigen Batterien mit begrenzter Restlebensdauer. Wir haben im Jahr 2000 das Basler Übereinkommen zur Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle unterzeichnet und wollen nicht als Mülldeponie für die giftigen Abfälle des Nordens missbraucht werden."
Klare Regeln für Batterieexporte erforderlich
"Wir müssen klare Regeln für den Versand gebrauchter Batterien in Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen festlegen", sagt Phyllis Omido vom Center für Justice Governance and Environmental Action in Kenia. "Die Fehler, die beim Export alter Computer gemacht wurden, dürfen sich nicht wiederholen", ergänzt Dr. Sampson Atiemo von der ghanaischen NGO SCYCLES. Noch vor 20 Jahren hieß es, dass alte IT-Geräte zur Entwicklung in Afrika beitragen würden. Doch die ökologischen und sozialen Folgen des unkontrollierten Elektroschrotthandels waren enorm. Und – genau wie IT-Geräte – enthalten Batterien zahlreiche gefährliche Stoffe, die am Ende des Produktlebenszyklus zum Problem werden können.
Mindeststandards basierend auf vier Säulen
Erstens müssen Altbatterien qualitativ gleichwertig mit den Batterien sein, die in den Zielländern üblich sind. Generell sollen nur hochwertige Batterien, die noch mindestens 80 Prozent ihrer ursprünglichen Energiespeicherkapazität aufweisen, exportiert oder gespendet werden können – nachgewiesen durch Tests unter realen Bedingungen.
Wenn die Altbatterien zweitens von gleicher Qualität sind wie neue Batterien, die üblicherweise in den Zielländern verwendet werden, sollten sie zudem einen Preisvorteil für die Akteure im Empfängerland aufweisen.
Drittens sollten die Batterien den internationalen Verfahren für den Handel mit gebrauchten Waren entsprechen. So muss beispielsweise vor dem Versand gebrauchter Batterien deren volle Funktionsfähigkeit nachgewiesen werden.
Als vierte Säule sollten alle Akteure, die Batterien – neu oder gebraucht – in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen auf den Markt bringen, verpflichtet werden, entsprechende Mengen im selben Land zu sammeln und fachgerecht zu recyclen. Angelehnt an die Systeme der erweiterten Herstellerverantwortung in EU-Ländern.
Aufbau einer Recyclingstruktur in Afrika
"Anstatt alte Batterien nach Afrika zu schicken, brauchen wir eigene umweltgerechte Recyclingkapazitäten für Lithium-Ionen-Batterien", sagt Dr. Leslie Adogame von SRADev Nigeria. "Die Nachfrage nach Batterien wird sich vervielfachen, aber die Rücknahmelogistik, die Wiederverwendung und das Recycling vor Ort sind noch nicht geklärt." Es bedarf weiterer konzertierter Anstrengungen, um die Qualität importierter Batterien zu überwachen, inländische Rücknahmesysteme einzurichten und spezielle Wiederverwendungs- und umweltverträgliche Recyclingzentren für Batterien aus dem heimischen Gebrauch zu schaffen. "Aber bitte hört auf, den Export von Altbatterien nach Afrika überhaupt in Erwägung zu ziehen."
Infografik „Immer mehr Antriebsbatterien für die Elektromobilität in der EU" vom Öko-Institut
Kontakt am Öko-Institut
Dr. Johannes Betz
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institutsbereich
Ressourcen & Mobiliät
Öko-Institut, Büro Darmstadt, Deutschland
Telefon: +49 6151 8191-174
E-Mail: j.betz@oeko.de
Kontakt bei Pesticide Action Nexus Association (PAN-Ethiopia)
Dr. Tadesse Amera
Executive Director von PAN-Ethiopia & Co-Chair von IPEN
PAN-Ethiopia, Addis Abeba, Äthiopien
Telefon: +251 116186774
E-Mail: pan.ethiopia@gmail.com
Kontakt am Centre for Sustainable Cycles (SCYCLES)
Dr. Sampson Atiemo
Mitglied des Vorstands, Centre for Sustainable Cycles (SCYCLES)
Koforidua, Ghana
Telefon: + 233 303944200
E-Mail: scyclesghana@gmail.com
Kontakt am Center for Justice Governance and Environmental Action (CJGEA)
Phyllis Omido
Exekutivdirektor
Zentrum für Justiz Governance und Umweltmaßnahmen
Mombasa, Kenia
Telefon: +254 772967888
E-Mail: media_communication@centerforjgea.com
Kontakt bei SRADev
Dr. Leslie Adogame
Exekutivdirektor
Nachhaltige Forschung und Aktion für Umweltentwicklung (SRADeV Nigeria)
Lagos, Nigeria
Telefon: +234 8033301305
E-Mail: sradevnigeria@yahoo.com
Über das Öko-Institut
Das Öko-Institut ist eines der europaweit führenden, unabhängigen Forschungs- und Beratungsinstitute für eine nachhaltige Zukunft. Seit der Gründung im Jahr 1977 erarbeitet das Institut Grundlagen und Strategien, wie die Vision einer nachhaltigen Entwicklung global, national und lokal umgesetzt werden kann. Das Institut ist an den Standorten Freiburg, Darmstadt und Berlin vertreten.
oeko.de | blog.oeko.de | T witter | i nstagram | eco@work ePaper
Über PAN-Ethiopia
Die Pesticide Action Nexus Association of Ethiopia (PAN-Ethiopia) ist eine Nichtregierungsorganisation, die 2005 gegründet wurde. Sie befasst sich mit Umwelt und Entwicklung und will zur Beseitigung der Armut in Äthiopien beitragen. Dazu schärft sie das Bewusstsein der Öffentlichkeit, um die Auswirkungen von Pestiziden und anderen Stoffen auf die öffentliche Gesundheit und die Umwelt zu verringern. PAN-Ethiopia fördert die enge Zusammenarbeit von Regierungen, Nichtregierungsorganisationen, zivilgesellschaftlichen Interessengruppen, städtischen und ländlichen Gemeinschaften. Seit Juli 2012 hat die Organisation einen Sonderberaterstatus beim Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) der Vereinten Nationen.
Über das Centre for Sustainable Cycles (SCYCLES Ghana)
Das Centre for Sustainable Cycles (SCYCLES Ghana) ist eine Umwelt-NGO mit Sitz in Ghana, die sich der Förderung der Nachhaltigkeit von Ressourcen widmet. Sie wurde 2018 gegründet. SCYCLES Ghana arbeitet im breiten Rahmen der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung mit besonderem Schwerpunkt auf verantwortungsvollem Konsum und Produktion. Die Organisation arbeitet sowohl mit lokalen als auch mit internationalen Partnern zusammen, um den Umgang mit giftigen Chemikalien und Abfällen in den Fokus zu nehmen und die Politik dafür zu sensibilisieren.
mountainresearchinstitute.com/Scycles
Über das Centre for Justice Governance and Environmental Action (CJGEA)
Das Center for Justice Governance and Environmental Action ist eine von der UNEP akkreditierte Organisation und erhielt 2015 den Goldman Environmental Prize mit dem Titel "The Green Nobel" für Phyllis Omido. Die NGO arbeitet zum Umweltschutz in Verbindung mit Menschenrechten, wobei der Schutz von Betroffen vor Umweltauswirkungen der Rohstoffindustrie ein Schwerpunkt ist.
www.centerforjgea.com | @CJGEA
Über SRADev Nigeria
Sustainable Research and Action for Environmental Development (SRADev Nigeria) ist ein professioneller, nichtstaatlicher, gemeinnütziger Think Tank für Forschung und Entwicklung, Interessenvertretung und Aktionsorganisation für Umweltgesundheit. Die Denkfabrik fördert die nachhaltige Entwicklung mit dem Schwerpunkt Umweltschutz. Dazu bietet er Informationen, vermittelt zwischen verschiedenen Parteien und bindet die Menschen vor Ort in die Arbeit ein.
Öko-Institut e.V. Mandy Schoßig Öffentlichkeit & Kommunikation Borkumstraße 2 D-13189 Berlin Tel: +49 30 405085-334 m.schossig@oeko.de