Freie Ärzteschaft: Bundesweiter Roll-Out der zentralen Patientenakte ist verantwortungslos!
Essen/ Hamburg (ots)
Im allerletzten Moment hat Noch-Gesundheitsminister Lauterbach der Betreibergesellschaft Gematik Anweisung erteilt, den bundesweiten Roll-Out der elektronischen Patientenakte ab Ende April zu starten.
"Es grenzt an eine Falschdarstellung, wenn jetzt behauptet wird, die Sicherheitslücken, die beim Kongress des Chaos Computer Clubs im Dezember aufgedeckt wurden, seien beseitigt", kritisiert Dr. Silke Lüder, stellvertretende Vorsitzende der Freien Ärzteschaft e.V. heute in Hamburg. Die beteiligten Experten für Datensicherheit hätten dem in einer aktuellen Stellungnahme eindeutig widersprochen. Die demonstrierten Sicherheitsmängel bestünden fort. Nach wie vor ließen sich die elektronischen Patientenakten weiterhin mit geringem Aufwand angreifen, erklärten die Sicherheitsforscher Tschirsich und Kastl zuletzt am 9.4.2025.
"Anfang 2025 haben wir uns in einem offenen Brief zusammen mit einer großen Zahl von Vertretern der Zivilgesellschaft an Herrn Lauterbach gewandt" erläutert Dr. Silke Lüder. "Statt hohler Phrasen verlangen wir eine unabhängige und belastbare Bewertung der schwerwiegenden Sicherheitsrisiken der zentralen Sammlung sensibler Krankheitsdaten von Patienten in Deutschland in zentralen Clouds bei Firmen wie IBM, unter Verwaltung der Krankenkassen".
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"Seit 20 Jahren werden haltlose Versprechungen für das Mammutprojekt elektronische Patientenakte gemacht. Milliarden wurden verschwendet, keine einzige Verbesserung ist bisher eingetreten, ergänzt Wieland Dietrich, Vorsitzender der Freien Ärzteschaft e.V. "Begründet wurde das Projekt mit Zielen wie Verbesserung der Medizin durch moderne Kommunikation zwischen Kliniken und Praxen, Vermeidung von Arzneimittelwechselwirkungen und Verhinderung von angeblichem Leistungsmissbrauch durch gesetzlich Versichert - nichts davon wurde bis heute realisiert", so Dietrich. Ab 2021 sollte die zentrale Speicherung der Daten kommen, zunächst als freiwillige Lösung. Der Versicherte musste eine informierte Zustimmung erteilen (Opt - in), damit nahezu alle Mitarbeiter des Gesundheitswesens nach Einlesen der Versichertenkarte seine gesamte Krankengeschichte einsehen konnten. Auch Mitarbeiter von Apotheken, die künftig lesen können, was etwa ein Gynäkologe beim Schwangerschaftsabbruch geschrieben hat. "Die ärztliche Schweigepflicht ist damit Geschichte," erklärt Dietrich. Seit Minister Lauterbach 2024 das Gesetz noch einmal verschärft hat, sei aber auch die Freiwilligkeit Geschichte, denn alle Bürger, oft in völliger Unkenntnis, bekommen automatisiert die zentrale Akte eingerichtet, wenn sie nicht aktiv widersprochen haben (Opt-out). Und die tatsächliche Kontrolle der Patienten wird durch hochkomplexe technische Prozesse so erschwert, dass sich noch nicht einmal 2,3 Millionen Versicherte dafür mit der "ePA - APP" aktiv angemeldet hätten.
"Die realen Erfahrungen aus den offiziellen Testregionen Hamburg und Franken wurden bisher nicht veröffentlicht, weil es für die Testärzte einen Maulkorb in Form von Schweigepflichtklauseln gibt", erklärt Dr. Silke Lüder weiter. "Es wird berichtet, dass die praktischen Tests bisher ein einziges Desaster sind. Zudem sind die Kliniken zum größten Teil gar nicht angeschlossen, so dass die Behauptung der Politik, die Behandlung würde durch die Verfügbarkeit von Daten verbessert, nur an lautes Pfeifen im Wald erinnert", stellt Dr. Lüder klar. "Wir fordern die Verantwortlichen auf, dieses unsinnige Milliardenprojekt zu stoppen - zumindest die Bürger durch sachgemäße Risikoaufklärung zu schützen und echte Freiwilligkeit (Opt-in Modell) für Patienten und Ärzte zu garantieren."
Über die Freie Ärzteschaft e.V.
Die Freie Ärzteschaft e. V. (FÄ) ist ein Verband, der den Arztberuf als freien Beruf verteidigt. Er wurde 2004 gegründet und vertritt vorwiegend niedergelassene Haus- und Fachärzte sowie verschiedene Ärztenetze. Vorsitzender des Bundesverbandes ist Wieland Dietrich, Dermatologe in Essen. Ziel der FÄ ist eine unabhängige Medizin, bei der Patient und Arzt im Mittelpunkt stehen und die ärztliche Schweigepflicht gewahrt bleibt.
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