Neue OZ: Kommentar zu Prozesse
Kriegsverbrecher
Osnabrück (ots)
Zwiespältiger Eindruck
Die Rückkehr des 89-jährigen John Demjanjuk weckt zwiespältige Gefühle. Nicht das hohe Alter an sich ist das Problem. Denn wenn der gebürtige Ukrainer tatsächlich schuldig im Sinne der Anklage ist, hat er keinerlei Mitleid verdient - allenfalls spätere Haftverschonung wegen seines Gesundheitszustands.
Das eigentliche Ärgernis ist die Tatsache, dass sich solche mutmaßlichen Täter überhaupt so lange der deutschen Justiz entziehen konnten. Mehr als 60 Jahre nach den schrecklichen Verbrechen dürften Prozesse dieser Art die vollständige Wahrheit kaum noch ans Licht bringen. Zu viele mögliche Zeugen sind verstorben, zu unpräzise können Erinnerungen nach dieser langen Zeit werden.
Und dennoch: Besser spät Gerechtigkeit als überhaupt nicht. Alle Opfer der Nazis haben Anspruch darauf, dass sich ihre Peiniger bis zum letzten Atemzug verantworten müssen. Mord darf nicht ungesühnt bleiben.
Insofern ist der bevorstehende Prozess gegen Demjanjuk zwingend notwendig, selbst wenn dieser möglicherweise während des Verfahrens und nach einer etwaigen Verurteilung gesundheitsbedingt auf freiem Fuß bleibt. Eine solche Schonung würde die prinzipiellen Unterschiede zwischen einem Rechtsstaat wie der Bundesrepublik und der Nazi-Diktatur nur umso krasser verdeutlichen.
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