Neue OZ: Kommentar zu Russland
Osnabrück (ots)
Dampf aus dem Kessel
Schon seit einiger Zeit kritisiert Russlands Präsident Dmitri Medwedew in Reden und öffentlichen Auftritten die Rückständigkeit seines Landes, fordert die Überwindung sowjetischen Denkens und plädiert für mehr Demokratie. Das klingt für russische Verhältnisse überraschend und nach einem neuen Stil. Doch bislang fehlt die Umsetzung. Die vom Staatschef gern groß angekündigten Reformen in allen Bereichen der russischen Gesellschaft fallen bei näherer Betrachtung kläglich aus.
Nun also will Medwedew mehr Parteienvielfalt in den Regionalparlamenten zulassen, indem er die Sieben-Prozent-Klausel auf fünf Prozent senkt. Er nimmt damit nach bewährtem Prinzip ein wenig Dampf aus dem Kessel. Selbst kremltreuen Kräften ist nicht mehr wohl bei der augenfällig unfairen Zusammensetzung so manchen Abgeordnetenhauses. Der Vorstoß des Präsidenten sollte also nicht überbewertet werden.
Und dennoch: Dass in Russland die Reden des Präsidenten in Talkshows bewertet und analysiert werden, also ein politischer Diskurs über Demokratie stattfindet, ist ein hoffnungsvoller Fortschritt. Vorausgesetzt, es handelt sich nicht um Schönfärberei nach dem Motto: "Seht her, auch wir haben unseren Obama." Denn diese Rolle wird Medwedew mit Sicherheit nicht ausfüllen. Dazu ist er selbst noch viel zu sehr vom alten Denken geprägt.
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