Neue OZ: Kommentar zu Grass
Osnabrück (ots)
Zeit, das Thema zu wechseln
Jeder kennt das: das peinliche Schweigen, das einsetzt, wenn sich Oma oder Opa auf der Familienfeier in seltsame Gedanken versteigen. Den Mund verbieten kann man den ehrwürdigen Alten schlecht, deshalb lässt man sie reden, blickt verschämt zu Boden - und wechselt dann dezent das Thema.
So halten es die Israelis mit Günter Grass: Offizielle Stellen äußern pflichtgemäß ihre Kritik, lassen den Mann aus Lübeck ansonsten aber reden. Und der Iran? Findet ein paar dürre, lobende Worte via staatliche Nachrichtenagentur. Um mit Karl Valentin zu sprechen: Die Betroffenen ignorieren Günter Grass nicht einmal.
Das entspricht genau genommen dem Wert des Gedichts. Als Lyrik keine Meisterleistung, bewegt es sich inhaltlich auf - Verzeihung - Stammtischniveau. Gleichzeitig schießt die Kritik an Grass weit übers Ziel hinaus: Der Autor ist gewiss kein Antisemit. In ein paar Wochen wird sich der Sturm der Entrüstung gelegt haben, stehen sich Israel und der Iran so feindlich gegenüber wie eh und je, kurz: Grass wird nichts bewirkt haben. Nur wenn er seine Stimme erhebt, schaut man peinlich berührt zu Boden.
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