Neue OZ: Kommentar zu Theater
Osnabrück (ots)
Raus aus dem Schonraum
Eine Leistung hat das 50. Theatertreffen schon erbracht, bevor es losgegangen ist: Mit gleich zwei Inszenierungen holt es behinderte Schauspieler in den Kanon der stärksten Arbeiten des Jahres, eine davon ist nicht mal als besonderes Projekt markiert. Das ist ein gewaltiger Fortschritt. Bislang findet Kunst von Behinderten vor allem im Schonraum des Gutgemeinten statt. Beim Theatertreffen erobert sie nun einen Raum, der von Publikum und Kritik als Leistungsschau begriffen wird. Das ist ein wichtiges Signal an alle Bühnen: Wer mit Behinderten arbeitet, wird nicht mehr mit einem Schulterklopfen für sein Engagement abgespeist. Er darf auf künstlerische Anerkennung hoffen.
Für behinderte Künstler steigt damit die Chance auf Beschäftigung. Für andere Behinderte ist es auch gut, weil sie ganz einfach sichtbarer werden. Am meisten profitiert aber die ganze Gesellschaft davon. Jedem Einzelnen von uns spuken abstruse Vorstellungen davon im Kopf herum, wie man als normaler Mensch so zu sein hat. Je mehr die Abweichung Alltag wird, desto gelassener kann jeder mit den eigenen Spleens und Marotten, Defiziten und Talenten umgehen.
Daniel Benedict
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