Neue OZ: Kommentar zu Iran
Osnabrück (ots)
Rechnung ohne den Wirt?
Falls jemand vergessen haben sollte, wer im Iran die Macht hat, in diesen Tagen wird er daran erinnert: Es ist der Oberste Rechtsgelehrte Ajatollah Ali Chamenei. Der von ihm kontrollierte Wächterrat disqualifiziert vor der Präsidentschaftswahl im Juni ausgerechnet die beiden aussichtsreichsten Kandidaten, Akbar Haschemi Rafsandschani und Esfandiar Rahim Maschaei. Der Grund liegt auf der Hand: Nur sie wären imstande, dem Revolutionsführer gefährlich zu werden und den Einfluss des schiitischen Klerus zurückzudrängen. Rafsandschani als Reformer, der die nach mehr Freiheit strebende Mittelschicht mobilisiert, Maschaei als Nationalist, der vor allem die Landbevölkerung erreicht.
Der scheidende Präsident Mahmud Ahmadinedschad, im Westen als Bösewicht abgestempelt, wirkt angesichts des Wächterrat-Urteils wie das vor Wut ausrastende Rumpelstilzchen. Denn seine Rechnung, es dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gleichzutun, geht nicht auf: Ahmadinedschad wollte Maschaei offenbar als Platzhalter für eine spätere Rochade installieren. Vielleicht hat der Wächterrat aber am Ende die Rechnung ohne den Wirt gemacht, in diesem Fall das Volk. Denn die verbliebenen Kandidaten sind so farblos, dass nun eine sehr geringe Wahlbeteiligung droht. Schlössen sich die Disqualifizierten und ihre Anhänger zusammen, wären sie ein mächtiger Gegner der Theokratie.
Marcus Tackenberg
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