Neue OZ: Kommentar zu Literatur
Osnabrück (ots)
Der Quotenhit
Kabarettist Dieter Nuhr und TV-Globetrotter Gerd Ruge hatten keine Chance. Auch Ka Twilfer musste zeitweise weichen. Sein Erfolgstitel "Schantall, tu ma die Omma winken!" knickte ein, auf der Bestsellerliste der Sachbücher. Unglaublich und gerade deshalb umso schöner: Die neue Biografie von Rüdiger Safranski schlug kurz nach Erscheinen alles aus dem Feld, was sich bei "Focus" und "Spiegel" auf den vorderen Plätzen tummelte. Goethe machte das Rennen. Ausgerechnet.
750 Seiten, Literaturverzeichnis, schneeweißes Cover: das richtige Geschenk für die schwindende Zielgruppe der Bildungsbürger? Offenbar nicht. Goethe liefert den Quoten-Hit, Safranski trifft das Massenpublikum, mit Italienischer Reise, Faust, Werther. Eine ausgenüchterte Gesellschaft, die es mit der Dichtung nicht so hat und lieber an die Wahrheit der Rankings glaubt, sinkt dem Klassiker hingerissen in die Arme. Da wird Sehnsucht deutlich, Sehnsucht nach einem Leben hinter Event, Konsum, Talk. Und ohne Schantall.
Stefan Lüddemann
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