Neue OZ: Kommentar zu Russland
Menschenrechte
Justiz
Osnabrück (ots)
Langer Weg
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Massaker von Katyn wirkt auf den ersten Blick bedrückend kühl. "Nicht zuständig", weil die Tat vor der Unterzeichnung der Menschenrechtskonvention verübt wurde. Keine "unmenschliche Behandlung" der Hinterbliebenen durch die russischen Behörden, weil das Schicksal der Opfer seit Langem bekannt sei, dass die Angehörigen dieses Ergebnis schmerzt, ist verständlich.
Auf politischer Ebene birgt es gleichwohl Zündstoff. Denn Moskau, das im Falle Katyn auch zuvor keinen überbordenden Enthusiasmus entwickelt hat, verletzt lieber die Konvention, als beweiskräftige Dokumente vorzulegen; und dass es dem Gerichtshof nicht einmal eine Erklärung zu den 2004 eingestellten Ermittlungen zu dem Massenmord zukommen ließ, kommt einer Missachtung gleich.
Sicher: Die Zeiten, in denen die Verantwortung für das Massaker schlicht geleugnet wurde, sind vorbei. Aber Russland tut sich immer noch schwer mit einer Aufarbeitung der Hintergründe von Katyn. Derzeit ist vielmehr Heldenverklärung gefragt; ein dunkler Fleck auf den frisch gebürsteten Uniformen des Großen Vaterländischen Kriegs stört da wohl. Das Nachsehen haben die Hinterbliebenen, deren Chancen auf Aufklärung nur noch gering sind, und die polnisch-russischen Beziehungen, die noch ein bisschen länger holprig bleiben werden.
Maik Nolte
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