Neue OZ: Gespräch mit Tilman Zülch, Präsident der Menschenrechtsorganisation GfbV
Osnabrück (ots)
Gesellschaft für bedrohte Völker kritisiert ukrainische Armee
Menschenrechtler Tilman Zülch: "Angriffe auf Großstädte unverhältnismäßig hart" - Ukrainische Streitkräfte nehmen zu wenig Rücksicht auf Zivilisten
Osnabrück.- Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) kritisiert das Vorgehen der ukrainischen Armee im Osten des Landes und warnt vor paramilitärischen Verbänden an der Seite der regulären Streitkräfte. "Bei aller berechtigter Kritik an der russischen Seite - die Angriffe der ukrainischen Armee auf Großstädte sind unverhältnismäßig hart", sagte der Präsident der Menschenrechtsorganisation, Tilman Zülch, in einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag). Die ukrainischen Streitkräfte nähmen bei ihren Aktionen zu wenig Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. Zülch wandte sich zudem gegen den Einsatz irregulärer Verbände wie des rechtsradikalen Bataillons Asow durch die ukrainische Militärführung. "Es wäre besser, solche Verbände dort nicht operieren zu lassen", sagte der Gründer der in Göttingen ansässigen GfbV.
Kritik übte Zülch auch an der deutschen Vermittlungsstrategie in dem Konflikt. Deutsche Politiker hätten versäumt, die ukrainische Regierung früh zu Autonomie-Zugeständnissen für die östlichen Gebiete und zu einem föderalistischen Staatsmodell zu drängen. "Deutschland ist in Kiew einflussreich und hätte seine Expertise und Erfahrung mit dem Föderalismus viel stärker einbringen müssen." Europa biete viele gute Beispiele dafür, wie sprachliche und kulturelle Unterschiede sich in einem Staat berücksichtigen ließen. Zülch erwähnte beispielhaft den Status der Basken und Katalanen in Spanien, der Region Südtirol in Italien und der deutschsprachigen Minderheit im Osten Belgiens.
Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) sind in den Kämpfen in der Ostukraine seit April mindestens 2200 Menschen umgekommen. In dem Land gibt es dem UNHCR zufolge mindestens 117 000 Vertriebene. Nach russischen Angaben sind mehrere Hundertausend Menschen nach Russland geflohen.
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