NOZ: Interview mit Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW)
Osnabrück (ots)
DIW: Bankenkollaps bleibt ein großes Risiko
Präsident Fratzscher warnt vor Gefahren in Italien und Griechenland
Osnabrück.- Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält die europäische Finanzkrise noch längst nicht für überwunden und warnt vor dem Zusammenbruch von Banken.
In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag) sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher: "Wir haben leider die Chance verpasst, mit den so genannten Stresstests das europäische Bankensystem zu konsolidieren. Einige Banken hätten abgewickelt werden müssen oder man hätte sie zumindest umstrukturieren oder rekapitalisieren müssen." Ein Bankenkollaps bleibe damit ein großes Risiko, "das wir nicht ignorieren sollten", sagte Fratzscher in einem Ausblick auf das Jahr 2015.
Der Wirtschaftsforscher verwies auf das Beispiel Italien. Bei den dortigen Banken liege der Anteil fauler Kredite im Durchschnitt bei knapp 15 Prozent. "Das ist eine riesige Zahl. Wenn sie sich weiter erhöht, dann wird es sicherlich zu Verwerfungen kommen - nicht nur bei den Banken, sondern auch in der Realwirtschaft." Außerdem habe Italien nach wie vor eine schrumpfende Volkswirtschaft. Große Risiken sieht der DIW-Präsident auch im hoch verschuldeten Griechenland. Dort könnte es nach den Worten von Fratzscher einen Schuldenschnitt geben - "mit großen Auswirkungen über das Land hinaus". Der Wissenschaftler verwies zudem auf geopolitische Konflikte etwa mit Russland oder im Mittleren Osten. "Auch die Schwellenländer bereiten große Sorgen - ich denke etwa an das Schattenbankensystem in China."
DIW: Geld der Steuerzahler sinnvoller ausgeben
Präsident Fratzscher fordert Einschnitte bei Betreuungsgeld und Ehegattensplitting
Osnabrück.- Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat an die Bundesregierung appelliert, mehr zu investieren und das Geld der Steuerzahler sinnvoller auszugeben. DIW-Präsident Marcel Fratzscher sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag), die schwarz-rote Koalition müsse den Spielraum der Schuldenbremse ausschöpfen und öffentliche Investitionen nicht erst in zwei oder drei Jahren fördern, sondern sofort. Die "schwarze Null", also der Versuch, einen ausgeglichenen Bundeshalt zu erzielen, sollte nach seinen Worten nicht sakrosankt sein. "Es darf nicht wichtiger sein, solch ein Prestigeprojekt durchzusetzen, als wirklich unterstützend für die deutschen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu agieren." Fratzscher kritisierte, der Bundesregierung sei es bislang vor allem um Verteilung gegangen statt darum, Bildung und öffentliche Investitionen zu fördern. So habe sie mit den Rentenreformen den Spielraum der öffentlichen Hand massiv um jährlich zehn Milliarden Euro eingeschränkt. Der Wirtschaftsforscher plädierte für einen Paradigmenwechsel: "Weg von immer höheren öffentlichen Konsumausgaben - hin zu öffentlichen Investitionen."Es sei höchste Zeit, das Geld der Steuerzahler sinnvoller auszugeben. "Überaus schädlich beziehungsweise Verschwendung sind zum Beispiel die Ausgaben für Betreuungsgeld und Ehegattensplitting. Milliardenbeträge werden falsch eingesetzt, wodurch an anderer Stelle viel Geld fehlt. Hier muss die Politik umdenken und umlenken."
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