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Westfalenpost: Kirche in der Krise

Hagen (ots)

Deutschland wartet weiter auf ein Papst-Wort
Von Andreas Thiemann
Der Hirtenbrief des Papstes an die katholische Kirche in Irland ist 
in einer bisher nicht gekannten Schärfe formuliert worden. Von 
Schande, Verrat, Unehre, Enttäuschung, Vertrauensbruch und schweren 
Fehlern ist da die Rede. Keine Frage, Benedikt XVI. liest seinen 
irischen Brüdern die Leviten, und er tut dies ganz offensichtlich aus
tiefster Besorgnis über den Zustand der irischen Kirche in ihrer 
Gesamthierarchie.
 Tatsächlich haben die Missbrauchsfälle in Irland eine größere 
Dimension als in Deutschland. Bislang jedenfalls noch. Vielleicht war
es daher richtig, dass der Papst die irischen Probleme nicht um einen
Hinweis Richtung Deutschland erweiterte.
 Doch auch beim sonntäglichen Angelusgebet nutzte Benedikt gestern 
nicht die Möglichkeit, die Situation in seiner eigenen Heimat 
anzusprechen. Dieses Schweigen aber schadet der katholischen Kirche 
in Deutschland von Tag zu Tag mehr. Die Missbrauchsopfer haben ein 
moralisches Recht darauf, dass der Papst sich ihnen direkt zuwendet. 
Insofern ist es eben nicht ausreichend, wenn führende Theologen in 
unserem Land darauf verweisen, dass der Inhalt des irischen 
Hirtenbriefs sehr wohl auch für Deutschland zu interpretieren sei. 
Natürlich gilt hier wie dort die gleiche Einschätzung zu den gleichen
Sachverhalten, dennoch müssen sie gesondert formuliert werden.
 Und noch eines fällt angesichts der päpstlichen Bestürzung auf: 
Benedikt benennt klar die Schuld anderer, während er durchaus 
mögliche Steuerungsmechanismen und Entscheidungsvorgaben seitens des 
Vatikans nicht anspricht.
 Die katholische Kirche steckt in einer ihrer größten Krisen der 
Neuzeit. Das weiß der Papst, und darum auch sein dramatischer 
Hirtenbrief. Mit Worten allein aber wird diese Krise nicht überwunden
werden können. Im Vatikan selbst sollten Veränderungen greifen, die 
gewichtiger ausfallen müssen als ein entschuldigendes Mitgefühl.
 Das intensive Beschreiben von Gefühlszuständen ist ein ungenügendes 
Krisenmanagement. Erst wenn auch im Vatikan ernsthaft analysiert 
wird, kann verlorenes Vertrauen wieder zurückgewonnen werden.

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Westfalenpost
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Telefon: 02331/9174160

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