Westfalenpost: Kommentar zu Wulff/Das abschreckende Beispiel/Vom Präsidenten bleibt: Der Wulff in uns allen/Von Harald Ries
Hagen (ots)
Was wird bleiben vom Bundespräsidenten Wulff, nachdem der Zapfenstreich verklungen ist? Ein Ermittlungsverfahren mit ungewissem Ausgang, eine dauerhafte, aber verkraftbare Belastung der Staatskasse, vielleicht ein Verb: wulffen. Das steht wahlweise für das Vollquatschen einer Mailbox, einen taktischen Umgang mit der Wahrheit oder eine Abstauber-Mentalität. Wahrscheinlich wird das Wort selbst sich nicht lange halten. Aber bezüglich des Ausnutzens aller erreichbaren Vorteile könnte der Sturz des Politikers nachhaltige Wirkung entfalten. Denn auch die berechtigte Empörung über Wulff hatte häufig einen gewissen Verlogenheitsanteil. Leicht lässt sich, wie es auch der Autor dieser Zeilen tat, dem 52-Jährigen der Verzicht auf den Ehrensold empfehlen, mit dem Hinweis, so könne er seine Ehre zurückgewinnen. Aber wie würde man es selbst halten? Wäre einem für 200 000 Euro jährlich der gute Ruf nicht vielleicht doch relativ egal? Im Zuge der Wulff-Diskussion hat die Bahn einen Rabatt gestrichen: Journalisten bekommen die Bahncard 50 nicht mehr zum halben Preis. Bei Air Berlin fliegen sie immer noch billiger. Das ist noch keine Bestechung. Aber ist es völlig sauber? Und wie ist es in anderen Berufen mit Zuwendungen? Wem sind Schnorrer noch nicht übel aufgestoßen? Solche Gedanken sind keine Entschuldigung für Christian Wulff. Von einem Bundespräsidenten darf man sich schon mehr erwarten als vom Durchschnittsbürger. Aber dieser zeigte uns in seiner Unfähigkeit, mit der Situation umzugehen, in seiner entlarvten Gier, mit seiner beleidigten Uneinsichtigkeit statt der angebrachten Beschämung eine Seite von uns selbst, die wir nicht gerne sehen. Nun erkannten wir deutlicher, wie abstoßend Schnäppchenjägerei ist bei Leuten, die sie eigentlich nicht nötig hätten, wie lächerlich die Diskrepanz zwischen hehren Worten und eigennützigen Taten, wie unverzichtbar die Übernahme von Verantwortung. Wenn wir uns das merken, hat Christian Wulff Deutschland doch noch einen guten Dienst getan.
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