Westfalenpost: Kommentar zum Anschlag von Berlin
Hagen (ots)
Die furchtbare Tat macht uns sprach- und hilflos. Zwölf unschuldige Menschen mussten sterben, viele wurden verletzt. Sie wollten sich in Berlin mit einem gemütlichen Abend auf das Weihnachtsfest einstimmen, mit Familie und Freunden Zeit verbringen. Es hätte auch jeder andere Ort, jede andere Stadt sein können - in Deutschland, in Europa, in den USA. Überall auf der Welt. Es ist schwer, sich gegen das Gefühl der Angst und der Ohnmacht zu wehren, das sich in uns breit macht. Genau das ist es, was die Täter in uns auslösen wollen. Wir sollen uns nicht mehr sicher fühlen, sondern wissen, dass uns der Terror jeden Tag erreichen kann. Das aber wissen wir schon längst. Wir wissen es seit den furchtbaren Ereignissen von Nizza, Paris und anderen Städten. Wir wissen es, seitdem fanatische Einzeltäter in Zügen Menschen mit der Axt angreifen und auf Volksfesten sich selbst und andere in die Luft sprengen wollen. Wir wissen es aber auch, seitdem die Sicherheitsbehörden in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder Anschläge vereiteln konnten. Doch was bedeutet das für unser Leben? Wie sollen wir uns schützen? Wie sollen wir uns wehren? Überall in Deutschland nahm die Polizeipräsenz gestern extrem zu. Auf den Weihnachtsmärkten zeigten sich Uniformierte mit Maschinenpistolen, Einsatzfahrzeuge standen an den Eingangsbereichen. Sie vermitteln uns ein Gefühl von Sicherheit. Tatsächlich ist es wohl so, dass uns diese Demonstration eher unsere Verletzlichkeit zeigt. Es ist ein Hinweis darauf, was wir in Kauf nehmen müssen, um weiter mehr oder weniger unbeschwert leben zu können. Denn die absolute Sicherheit lässt sich nicht erzwingen. Diese Erkenntnis ist jedoch kein Grund, nicht mehr auf Weihnachtsmärkte oder Konzerte zu gehen. Im Gegenteil. Ganz sicher ist der Hass nicht das Gefühl, das wir - die potenziellen Opfer - mit den Tätern gemein haben sollten. Sie haben es nicht verdient, dass wir uns mit Ihnen auf eine Stufe stellen. Wir sollten Ihnen auch nicht den Gefallen tun, all jenen mit Ablehnung zu begegnen, die aus anderen Ländern zu uns kommen. Denn die allermeisten tun dies, weil sie Schutz suchen. Diejenigen aber, die unserer Gesellschaft schaden wollen, müssen wissen, dass wir uns mit aller Kraft dagegen wehren. Aus diesem Grund ist es richtig und vernünftig, Gesetze zu beschließen, die dabei helfen, schnell und konsequent zu reagieren. Das ist in den vergangenen Monaten geschehen. Jede Partei, die das ignoriert oder die Attentate instrumentalisiert, schadet uns allen. Schließlich: Es ist auch vernünftig, trotz allem gelassen zu bleiben. Ein Beispiel: Gestern Abend wurde der Kölner Hauptbahnhof wegen einer Bombendrohung gesperrt. Züge konnten nicht einfahren und standen irgendwo auf freier Strecke. Ich saß in einem von ihnen. Mit mir Menschen aus ganz offensichtlich verschiedenen Ländern, die gemeinsam zum Warten verdammt waren. Sie taten das nicht still, sondern sprachen miteinander über ihre Gedanken angesichts der Berliner Ereignisse. Einer berichtete von seinem früheren Dasein im Iran und warum er stolz ist, in unserem Land leben zu dürfen. Zum Beispiel, weil hier alle Menschen Rechte haben. Die Demokratie ist stark. Das sollten wir nie vergessen.
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