Westfalenpost: Neuer Schwung für Europa
Kommentar von Christian Kerl zum deutsch-französischen Verhältnis
Hagen (ots)
Frankreichs Präsident Macron hatte schon recht: Etwas mehr feierliche Symbolik wäre zum Jahrestag des deutsch-französischen Elysee-Vertrags angemessen gewesen. Die Vereinbarung zwischen Paris und Berlin vor 55 Jahren besiegelte nicht nur das Ende einer "Erbfeindschaft". Sie schaffte erst die Voraussetzungen für den beispiellos engen Schulterschluss ihrer Regierungen bei der europäischen Integration. Aber auch ohne Pomp erleben die deutsch-französischen Beziehungen nach jahrelanger Flaute einen neuen Aufbruch: Was die Parlamente beider Länder gestern beschlossen, was Präsident Macron und Kanzlerin Merkel im Vorfeld zu Protokoll gaben, dürfte nicht nur der bilateralen Kooperation, sondern ganz Europa neuen Schwung geben. Macron hatte vorgelegt, Merkel ist nun einen größeren Schritt auf ihn zugegangen: Deutschland erklärt sich bereit, der EU neue Spielräume etwa bei Investitionen und einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik zu geben. Beiden Seiten hilft die Dynamik: Macron braucht den europäischen Erfolg, damit die Franzosen die Mühen innenpolitischer Reformen ertragen. Das alles heißt freilich nicht Einigkeit auf allen Feldern. In zentralen Punkten, bei der Rolle des Staates etwa, dem Verhältnis von Solidarität einerseits, gesunden Staatsfinanzen andererseits, sind die Differenzen groß. Viele der Ideen, die Macron zur Reform der Eurozone vorgelegt hat, sind in Deutschland kaum mehrheitsfähig. Aber das ist gerade die Stärke dieser Beziehung: Der deutsch-französische Motor hat in der EU nie einen Harmonieautomaten angetrieben, sondern immer eine Kompromissmaschine zum Laufen gebracht. Paris und Berlin haben oft stellvertretend für alle EU-Staaten ihre Gegensätze ausgetragen - wenn sie sich einigten, standen die Chancen für eine Einigung in ganz Europa gut.
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