Westfalenpost: Ein Hauch von Abschied Sonderparteitag der SPD in Berlin
Hagen (ots)
Von Jörg Bartmann
So kurz vor dem Wahltag durfte Gerhard Schröder noch einmal im Beifall der SPD-Delegierten baden. Es war verbunden mit dem Kraftakt eines Kanzlers, der gekonnt Rationalität beschwor. Der sich und den Sozialdemokraten Mut machte, nicht vorschnell aufzugeben. Die inhaltliche Ausrichtung der SPD wurde geschickt überdeckt, indem Schröder seine Qualität als Instinktpolitiker nutzte, Personen und Vorstellungen der Union auseinander pflückte, die soziale Kälte der Opposition geißelte. Sozialdemokratische Vorstöße blieben Mangelware. Wie auch. Schröder will nicht den Kurs ändern und hält an seiner Regierungsriege fest. Und zur Überwindung der politischen Krise wird landauf- und -ab auf Konjunktur und Wachstum gesetzt. Das ist zu wenig, das ist zu vage und lässt nicht auf durchschlagende Kernkompetenz schließen. Der Kompass ist verloren gegangen, die Option Arbeitsplätze durch Umverteilung zu erreichen, ist ausgereizt. Dazu passen eine Vielzahl an Ankündigungen, die im Alltag verkümmerten. Wir erinnern uns: Die SPD hatte 2005 als das Jahr der Entschlossenheit verkauft. Doch zwischen dem gewünschten Anspruch und der realen Wirklichkeit klafft eine Riesenlücke. Schröder und die Partei, das war schon immer ein besonders schwieriges Kapitel. Und spätestens seit der Absplitterung fehlt den Sozialdemokraten das innere Gleichgewicht - ohne es selbst einzugestehen. Das wird nach dem 18. September zu einer kontroversen Debatte führen, nach der die SPD ein wenig nach links rücken wird. Doch jetzt wird nochmals alles Mögliche mobilisiert. Man versammelt sich um Schröder, trotzig steht man gegen den sich stabilisierenden Trend. Der Kanzler versteht zu kämpfen - über dem Beifall liegt aber auch ein Hauch von Abschied.
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