Westfalenpost: Falscher Ehrgeiz Bundeswehr-Einsätze in der Kritik
Hagen (ots)
Von Jörg Bartmann
Um sich der Debatte um die Bundeswehr zu nähern, gilt es, sich an Fakten zu halten: Allein gestern sind bei einem Nato-Militäreinsatz in Südafghanistan 55 Aufständische und ein Soldat der Schutztruppe ums Leben gekommen. Das ist kein Einzelfall, sondern die Normalität in einem schmutzigen Krieg. Und ohne Zweifel nimmt die Verrohung unter diesen Umständen enorm zu. Weil menschliche Sensibilität unter dem ständigen Gewaltstress über Bord gehen kann. Wenn man dazu bedenkt, dass höherer Sold und die Aussicht auf Kampfeinsätze Motive für Bundeswehr-Soldaten sind, sich für Auslandsaktivitäten zu bewerben, liegt es auf der Hand, dass nicht immer die richtige Auswahl getroffen wird. Das kann und darf wahrlich keine Entschuldigung für die Bilder mit den Totenschädeln sein, es erklärt aber einiges. Bei der verständlichen Entrüstung muss man zudem aufpassen, dass sie keine hysterischen Zügen annehmen. Nach hoffentlich schneller und kompletter Aufklärung der Affäre muss aufgearbeitet werden, dass die jungen Bürger in Uniform auf ihren Auslandseinsatz wenig vorbereitet wurden. Dabei stellt sich die Frage der Verantwortung, der politischen Ausrichtung. Nach wie vor ist die Bundeswehr eine Parlamentsarmee. Der Ehrgeiz mancher Politiker deckt sich aber nicht mit den Gegebenheiten. Jürgen Trittin, ehemals Umweltminister, jetzt verantwortlich für außenpolitische Themen der Grünen, fordert weitere Einsätze im Ausland. Ja, wo leben wir denn? Oder Peter Struck (SPD). Als Minister hat er die Maxime ausgegeben, dass die Verteidigung am Hindukusch beginnt. Jetzt, als Fraktionsvorsitzender, setzt er auf Zurückhaltung bei Auslandseinsätzen. Ist er geläutert oder ruft da der Brandstifter nach der Feuerwehr? Diese beispielhaften chamäleonartigen Aussagen sind gefährlich und verstärken den Eindruck, dass Politiker in ihrem Ehrgeiz, Deutschland internationale Verantwortung aufzubürden, fahrlässig handeln: Ohne strategische Ausrichtung, ohne Fürsorge, ohne Rückhalt für die Bundeswehr. Ein verheerender Eindruck. Und die Armee selbst muss sich dann noch für ihre Überforderung rechtfertigen. Es scheint an der Zeit, Selbstverständliches einzufordern. Im Bundestag muss die Wahrheit auf den Tisch. Da darf auch Verteidigungsminister Jung bei der Argumentation für den brisanten Libanon-Einsatz nicht haarscharf an einer Lüge vorbeischrammen. Es gilt, Etliches schnell zu klären. Vordringlich und ohne Abstriche: Wenn schon Auslandseinsätze, dann mit der notwendigen Ausbildung und ehrlicher Rückendeckung.
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