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NRZ: Kommentar zu Joachim Gauck von RÜDIGER OPPERS
Essen (ots)
Das ist eine gute Nachricht für die demokratische Kultur unseres Landes. Joachim Gauck wird neuer Bundespräsident. Es war gut, dass sich auch die Union schnell auf den Kandidaten von SPD und Grünen einigen konnte. Vor allem die Kanzlerin musste sich einen Ruck geben. Angela Merkel hatte noch vor eineinhalb Jahren ihren ganzen Einfluss geltend gemacht, um Gauck zu verhindern und Christian Wulff irgendwie ins Schloss Bellevue zu befördern. Aber gerade sie weiß, dass der ehemalige DDR-Bürgerrechtler nicht nur große politische Unterstützung genießt, sondern schon jetzt mit der Sympathie der Mehrheit der Deutschen rechnen kann. Es ist eine gute Nachricht, weil endlich das übliche Parteiengezänk über das höchste Amt im Staate vermieden wurde. Der zurzeit beste Kandidat wird aufgestellt, auch auf die Gefahr hin, dass dies als Eingeständnis eines Irrtums der Regierungskoalition bei der letzten Bundestagswahl gewertet wird. Viel wichtiger ist das Signal an die Bevölkerung: Berlin hat verstanden! Dieses Mal kein unwürdiges Geschacher und Gezerre um Personen, sondern eine schnelle, fast einmütige Entscheidung, die von den Bürgerinnen und Bürgern gewiss mit Erleichterung aufgenommen wird. Ausschlaggebend war die FDP. Sie hat ihre klassische Rolle als Zünglein an der Waage eiskalt genutzt, um der Union eine Entscheidung abzuverlangen. Ihre klare Entscheidung für Joachim Gauck hat die Kanzlerin vor die Machtfrage gestellt. Denn die Regierungskoalition hätte die Belastung einer abtrünnigen FDP bei der Bundespräsidentenwahl kaum aushalten können. Angela Merkel, deren eigentliches Element die Krise ist, hat in den sauren Apfel gebissen und am Ende sich selbst, vor allem aber dem Land einen Gefallen getan. Nach dem Debakel um Christian Wulff ist die Glaubwürdigkeit der Mächtigen angeschlagen. Für viele ist das Fehlverhalten des Ex-Präsidenten symptomatisch für unsere politische Kultur. Joachim Gauck hat sein Leben lang für die Demokratie gekämpft, in der DDR-Diktatur auch gelitten, weil Freiheit ein kostbares Gut ist. Einer Partei kann man diesen Mann schwer zuschlagen, dafür ist sein Denken zu selbstständig. Er selbst sagt über sich, er sei ein "linker, liberaler Konservativer". Für das Amt des Bundespräsidenten qualifiziert ihn schon seine herausragende Redekunst, mit der er auch ohne Funktion große Hallen zu überfüllen versteht. "Worterfahren, wortmächtig", so hat die Kanzlerin vor zwei Jahren anlässlich seines 70.Geburtstags gelobt. Jetzt kann sie sich gemeinsam mit uns auf viele unbequeme Reden des elften Bundespräsidenten Joachim Gauck freuen.
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