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NRZ: Nah bei den Menschen - Leitartikel zur NRW-Wahl von Rüdiger Oppers

Essen (ots)

Rot-Grün kann in NRW weiterregieren und einen großen Wahlsieg feiern. Der Riesenerfolg der SPD hat einen Namen: Hannelore Kraft. Die Ministerpräsidentin hat vielen Menschen im Land das "Johannes-Rau-Gefühl" zurückgegeben. Wie zu Zeiten des noch heute bewunderten Ministerpräsidenten Rau ist die Sozialdemokratie wieder eindeutig die stärkste Partei im Land, auch weil die Bürger der Regierungschefin glauben: das ist eine, die sich kümmert. "Nah bei den Menschen", unbestritten eine Floskel, aber Hannelore Kraft nimmt man diese Eigenschaft gerne ab. Ganz im Gegensatz zu Norbert Röttgen. Das Ergebnis für die CDU ist ein Debakel ohne Beispiel. Zu verantworten hat es ihr Spitzenkandidat. Im Sturmschritt wollte er das Land erobern, allerdings als Durchmarsch: Berlin und die Kanzlerschaft immer fest im Blick. So endet seine ambitionierte Karriere nach dem Motto: Er kam, er sah, er kriegte die Hucke voll. Der Ex-Hoffnungsträger der Union hat sich gerne als George Clooney vom Rhein verkauft, aber um smart zu sein, bedarf es mehr als ein Grübchen im Kinn. Es war außerordentlich un-smart, schon vor der Wahl dem Land die kalte Schulter zu zeigen. Die Quittung hat er gestern vom Wähler erhalten. Seine Partei hat ihn schon vorher fallengelassen. Norbert Röttgens Rücktritt vom Landesvorsitz war unabwendbar. Damit schwindet auch seine Machtbasis in der Bundespolitik. Wenn die Kanzlerin den geprügelten Heimkehrer in Berlin willkommen heißt, dann mit mildem Lächeln: Sie kann eine weitere Kerbe in den Kabinettstisch ritzen, wieder einen Namen von der Liste möglicher Konkurrenten um die Kanzlerkandidatur streichen. Das "Comeback Kid" der Wahl und ebenfalls strahlender Sieger ist Christian Lindner. Noch vor zwei Monaten stand die FDP vor dem parlamentarischen Aus. Aufwind brachte erst der Spitzenkandidat. Mit einem Turbo-Wahlkampf hat er seine eigentlich chancenlose Partei nach vorne katapultiert. Auch ein Signal für Berlin, wo die Liberalen sich noch immer unter die Fünf-Prozent-Hürde ducken. Philipp Röslers Tage im Amt des Parteivorsitzenden sind gezählt. In Düsseldorf darf man von Christian Lindner wichtige Weichenstellungen erwarten. Die FDP braucht eine Alternative zu Schwarz-Gelb; Farben, die nur noch im Fußball für Erfolg stehen. Dass es die "Linke" nicht mehr ins Parlament geschafft hat, wundert nicht. Im Landtag wirkt sie oft wie die Fraktion "Rote Pumpe" - zu viel Ost-Sozialismus für den Westen. Erwartungsgemäß sind die "Piraten" neu an Bord. Diesmal war ihre Beute nicht so fett wie bei den letzten Landtagswahlen. Man darf die neue politische Kraft als Bereicherung begrüßen, auch wenn sie noch nicht so recht weiß, was sie will. Jedenfalls wird es um mehr als den Kampf für freie Downloads gehen müssen, damit die "Piraten" nicht bald kielgeholt werden. Mehr Bürgerbeteiligung und die Erweiterung direkter demokratischer Spielräume sind aber Piraten-Themen, die auf die Agenda aller Parteien gehören. Mit Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann wird Kontinuität und Verlässlichkeit die Landespolitik weiterhin bestimmen. Ihr Regierungsstil war notgedrungen vom Konsens und unaufgeregtem Pragmatismus geprägt, das würde auch in Zukunft der politischen Kultur gut tun. Nebenbei beste Wahlwerbung für 2013.

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