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NRZ: Griechenland braucht einen Marshallplan - ein Kommentar von GERD HÖHLER

Essen (ots)

Es war ein politischer Kraftakt. Mit der Zustimmung zum Sparpaket ebnet das griechische Parlament den Weg zur Auszahlung dringend benötigter weiterer Hilfskredite. Das ist die gute Nachricht für die Griechen. Die schlechte ist: Trotz der Milliardenüberweisungen rutscht das Land immer tiefer in die Rezession. Diese Woche hat die EU-Kommission ihre Konjunkturprognose für Griechenland noch einmal korrigieren müssen - nach unten: Die Wirtschaft bricht demnach in diesem Jahr nicht um 4,7 sondern um sechs Prozent ein, und für das kommende Jahr wird mit einem Minus von 4,2 Prozent gerechnet statt der bisher erwarteten Rückkehr zum Nullwachstum. Unabhängige Analysten befürchten sogar, dass Griechenlands Bruttoinlandsprodukt wegen des neuen Sparpakets noch wesentlich stärker schrumpfen wird. Mehr als jeder vierte Grieche ist bereits ohne Arbeit, unter den Jugendlichen sind es sogar sechs von zehn.

Man braucht nicht viel Fantasie um sich vorzustellen, dass sich in Griechenland sozialer Sprengstoff ansammelt. Die Spannungen entladen sich nicht nur in Streiks und mitunter gewalttätigen Protesten, wie man sie auch während der Debatte um das Sparpaket vor dem Athener Parlamentsgebäude erlebte. Die Verelendung ganzer Bevölkerungsschichten, wie der rund einer Million Arbeitslosen, die ohne jede finanzielle Unterstützung sind, gefährdet mittlerweile den demokratischen Grundkonsens in Griechenland. Abzulesen ist das am alarmierenden Aufstieg der Neonazi-Partei "Goldene Morgenröte", die bei der Wahl vom Juni auf sieben Prozent der Stimmen kam und in jüngsten Meinungsumfragen bereits bei 14 Prozent liegt.

Während sich die soziale und politische Polarisierung verschärft, schmiert die Wirtschaft immer weiter ab. Die gefährliche Dynamik aus schrumpfender Wirtschaftsleistung und wachsenden Schulden zeigt: Der strikte Sparkurs, den die Griechen auf Weisung ihrer internationalen Gläubiger steuern müssen, ist ein Irrweg. Das Land braucht nicht immer neue Sparprogramme, die den sozialen Frieden und die politische Stabilität gefährden. Es braucht auch nicht ständig neue Kredite, die nur die Schuldenlast vergrößern, ohne etwas zu bewirken. Griechenland braucht ein Konjunkturprogramm, einen neuen Marshallplan. Sonst stürzt das Land unweigerlich immer tiefer ins Chaos - und reißt womöglich andere Krisenstaaten mit.

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