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NRZ: Verletzter Stolz, Wut und Paranoia - ein Kommentar von JAN JESSEN
Essen (ots)
Die irritierend undiplomatische Attacke des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Frank-Walter Steinmeier hat gezeigt, was derzeit die Politik in Ankara bestimmt: eine Melange aus Paranoia, verletztem Stolz und Wut. Präsident Recep Tayyip Erdogan und die ihm hörige türkische Regierung fühlen sich unverstanden und verraten von Europa, allen voran von Deutschland, dem wichtigsten Handelspartner und alten Freund aus osmanischen Tagen. Autokraten fordern unbedingte Loyalität, insbesondere von Freunden. Kritik, auch konstruktive, ist für sie stets gleichbedeutend mit einem Angriff auf ihre Autorität. Erdogan und seine Getreuen fühlen sich bedroht von tatsächlichen oder imaginären Feinden im Inneren und im Ausland. Sie haben erwartet, dass Deutschland Verständnis für den unerbittlichen, staatszersetzenden Furor hat, mit dem sie seit dem Putschversuch gegen die eigenen Bürger vorgehen - Verständnis haben dafür aber nur Männer wie Russlands Präsident Putin, die aus ähnlich Holz geschnitzt sind wie Erdogan. Auch die Eiseskälte, mit der der türkische Präsident Steinmeier empfing, hat deutlich gemacht, dass das deutsch-türkische Verhältnis auf lange Sicht massiv gestört sein wird. Es wäre zwar richtig, die EU-Beitrittsverhandlungen auszusetzen. Der bilaterale Gesprächsfaden sollte dennoch nicht völlig abreißen, der alten Freundschaft willen. Und aus Solidarität mit den vielen progressiven Kräften, die es noch immer in der Türkei gibt.
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