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NRZ: Europa zeigt klare Kante - ein Kommentar von JAN JESSEN
Essen (ots)
Ein kluger Mann hat einmal gesagt: "Die Pflicht des Diplomaten besteht in wechselseitigen und unaufhörlichen Konzessionen." Spätestens seit dem Wochenende ist die Kunst der Diplomatie im Verhältnis zwischen der Türkei und einigen ihrer Nato-Partnern einer Auseinandersetzung auf Straßenkampf-Niveau gewichen. Der Konflikt um die Auftritte von türkischen Regierungsvertretern ist vollends eskaliert; viele Deutsche applaudieren der niederländischen Regierung für ihr knallhartes Vorgehen gegen Ankara. Es ist natürlich kein Zufall, dass es ausgerechnet der Regierungschef der vormals so liberalen Niederlande war, der sich mit breiter Brust gegen die unerträglichen Anfeindungen aus dem Lager des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan stellte. Mark Rutte steht unter Druck von rechts, die PVV des Hetzers und Islamhassers Geert Wilders könnte am Mittwoch bei den Parlamentswahlen stärkste Kraft werden. Rutte durfte keine Schwäche zeigen. Er hat am Wochenende gepunktet. Das Vorgehen der Niederlande ist ganz im Sinne Erdogans. Er braucht einen Feind, an dem er sich vor dem Verfassungsreferendum am 16. April innenpolitisch abarbeiten kann, ein Thema, das die Volksseele kochen lässt; auch auf die Gefahr hin, im Ausland lebende Türken und die jeweiligen Mehrheitsgesellschaften gegeneinander aufzuwiegeln. Erdogan will sich als der Außenseiter präsentieren, der es notfalls mit der ganzen Welt aufnimmt, wenn es darum geht, die türkische Ehre zu verteidigen. Kurzfristig mag ihm das helfen. Mittelfristig stellt Erdogan die Türkei immer weiter ins Abseits, wirtschaftlich wie militärisch. Es ist ein gefährliches Spiel, das schlimmstenfalls in einem neuen Putschversuch enden könnte. Trotzdem ist das Vorgehen der Niederländer richtig. Wer europäische Werte mit Füßen tritt, wer Partner unflätig beschimpft, wer Verbrechen gegen die eigene - kurdische - Bevölkerung begeht, der muss spüren, dass er in Europa nicht erwünscht ist. Zumal Erdogan auch dann profitieren würde, wenn seinen Ministern allerorten Wahlkampfauftritte erlaubt werden würden - er könnte sich dann als starker Mann präsentieren, dem sich niemand in den Weg stellt. Dann ist es besser, wenn Europa klare Kante zeigt. Die wechselseitigen Verwundungen müssen aber irgendwann heilen. Otto von Bismarck, von ihm stammt das Eingangs-Zitat, pflegte ein sehr enges Verhältnis zum Osmanischen Reich. Er hat auch gesagt: "Die Liebe der Türken und der Deutschen zueinander ist so alt, dass sie niemals zerbrechen wird." Es wird Sache der Diplomatie sein, diese Liebe wieder zu erwärmen.
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