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Im ureigenen Interesse Europas - ein Kommentar von JAN JESSEN
Essen (ots)
Der Krieg in Libyen hat sich in den vergangenen Jahren ähnlich wie der in Syrien zu einem Konflikt entwickelt, in dem längst Akteure von außen das Geschehen bestimmen. Als Frankreich, Großbritannien und die USA im Jahr 2011 das damalige UN-Mandat überzogen und den Sturz des Langzeitmachthabers Muammar al-Gaddafi herbeibombten, hatten sie keinerlei Plan für die Ära danach. Die Folge: Das Land glitt ins Chaos ab. Heute stehen sich die zwar international anerkannte, aber weitgehend machtlose Regierung um Fajes al-Sarradsch und die Libysche Nationalarmee unter General Chalifa Haftar gegenüber, dem es in den vergangenen Jahren gelungen ist, dschihadistische Gruppierungen wie die Ansar al-Scharia als Akteure weitgehend auszuschalten. Beide Seiten werden von ausländischen Mächten mit unterschiedlichen Interessen unterstützt; es geht um geopolitische Einflussnahme aber auch um handfeste wirtschaftliche Interessen. Der türkische Präsident Erdogan beispielsweise, der erst jüngst islamistische Söldnertruppen aus Syrien und eigene Truppen nach Libyen entsandt hat, erhofft sich durch die Unterstützung der Regierung al-Sarradsch Zugriff auf Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer, träumt aber gleichzeitig von der Restaurierung osmanischer Größe. Um eine weitere Verschärfung des Konfliktes und damit weiteres Leid für die Zivilbevölkerung zu verhindern, ist Vermittlung dringend nötig. Dass bei der Berliner Libyen-Konferenz am Sonntag der Gordische Knoten zerschlagen wird, ist nicht zu erwarten. Gleichwohl ist es gut, dass die Bundesregierung ihr diplomatisches Gewicht in die Waagschale wirft. Aber kein Vertun: Deutschland ist in diesem Konflikt nicht nur ein neutraler Makler. Wenn sich Libyen wie Syrien zu einem Vasallenstaat entwickeln würde, wäre das fatal für Europa; dabei wäre es egal, ob sich die Türkei oder Russland durchsetzen würde, das General Haftar unterstützt. Libyen ist ein Transitland für viele Flüchtlinge aus der Sahelzone. Wer Libyen regiert, hat also Erpressungspotenzial. Dass Erdogan dieses Potenzial bei Bedarf schamlos ausnutzt, hat er bereits hinlänglich bewiesen. Putin wird ihm im Zweifelsfall nicht nachstehen. Ein von fremden Mächten freies und selbstbestimmtes Libyen ist also im ureigenen Interesse Europas.
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