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Hochschule Fresenius

Kein Freibrief für Kirchen
EuGH-Urteil: Kündigung eines katholischen Chefarztes wegen Wiederheirat verstößt gegen Europäisches Recht

Hamburg (ots)

Auch im Berufsleben sind Liebesbeziehungen Privatsache. Kirchliche Arbeitgeber ziehen jedoch mitunter Konsequenzen, wenn ihre Arbeitnehmer beispielsweise gegen das Sakrament der Ehe verstoßen. Dies musste ein Chefarzt eines katholischen Krankenhauses am eigenen Leib erfahren. Nachdem er erneut heiratete, kündigte der kirchliche Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Zu Unrecht, wie der Europäische Gerichtshof am 11.9.2018 entschied. Für die Kirchen bedeutet das Urteil einen erheblichen Einschnitt in ihre Autonomie. Prof. Dr. Michael Fuhlrott, Arbeitsrechtler und Professor an der Hochschule Fresenius in Hamburg, äußert sich zu dem Urteil.

Im deutschen Recht genießen die Kirchen eine historisch gewachsene und verfassungsrechtlich abgesicherte Sonderrolle. Sie haben etwa das verbriefte Recht, ihre inneren Angelegenheiten selbständig zu regeln. Auch im Kündigungsrecht können sie sich auf die für sie geltenden Besonderheiten berufen: Verstöße gegen die kirchliche Grundordnung können als arbeitnehmerseitige Pflichtverletzung im Extremfall eine Kündigung nach sich ziehen. Das gilt jedenfalls dann, wenn der betroffene Arbeitnehmer eine "verkündungsnahe" Tätigkeit ausübt und damit einer besonderen Loyalitätspflicht gegenüber seinem kirchlichen Arbeitgeber unterliegt.

Der Fall des Chefarztes: Odyssee seit 2009 durch die Gerichte

Der aktuellen Entscheidung lag der Fall eines bei einem kirchlichen Träger angestellten katholischen Chefarztes zu Grunde, der erneut heiratete und daraufhin gekündigt wurde. Der katholische Chefarzt wehrte sich hiergegen. Vor verschiedenen Instanzen bis hin zum Bundesarbeitsgericht war er auch zunächst erfolgreich: Zwar könne die Wiederheirat eines in einem katholischen Krankenhaus angestellten Chefarztes eine Kündigung im Grundsatz rechtfertigen. Allerdings müssten auch die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, so die Gerichte.

Dabei wollte es das katholische Krankenhaus aber nicht belassen und legte Verfassungsbeschwerde ein: Die Gerichte hätten die kirchliche Autonomie und den Prüfungsmaßstab der Kirchen verkannt. Zurecht, wie das Bundesverfassungsgericht entschied. Das Bundesarbeitsgericht war von diesem Urteil nicht überzeugt. Es legte die Sache dem Europäischen Gerichtshof vor und wollte wissen, ob die Kirche selbst verbindlich bestimmen könne, welche Anforderungen an loyales und aufrichtiges Verhalten von im Kirchendienst beschäftigten Arbeitnehmern zu verlangen seien.

EuGH: Kein Freibrief für Kirchen, sondern staatliche Kontrolle

Dieser entschied nun heute, dass staatliche Gerichte eigenständig prüfen müssen, ob die Einhaltung der kirchlichen Vorgaben - hier also das Befolgen der Unverbrüchlichkeit der Ehe - für die Art der Tätigkeit und ihre Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte Anforderung darstellt. Dies müsse das Bundesarbeitsgericht prüfen. Beim Chefarzt scheine dies - so der Europäische Gerichtshof - aber keine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung zu sein. Von diesem erwarteten Patienten vielmehr eine fachlich hohe Qualifikation als denn die Einhaltung des Eheversprechens. Die Kündigung könne daher eine verbotene Diskriminierung wegen der Religion darstellen. "Für Kirchen stellt das Urteil einen erheblichen Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Autonomie dar", so Fuhlrott.

"Kirchliche Arbeitgeber werden sich künftig bei Vornahme arbeitsrechtlicher Maßnahmen die Prüfung durch staatliche Gerichte gefallen lassen müssen, ob das kanonische Recht und ihre internen Vorgaben jeweils gerechtfertigte berufliche Anforderung sind," meint Fuhlrott. "Damit hat das heutige Urteil sogar die potenzielle Sprengkraft, über den Bereich des Arbeitsrechts hinaus zu einer Neubewertung des Verhältnisses zwischen Europäischem Recht und nationaler Verfassung zu führen."

Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei der Kanzlei FHM - Fuhlrott Hiéramente & von der Meden Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB in Hamburg.

Über die Hochschule Fresenius

Die Hochschule Fresenius mit ihren Standorten in Frankfurt am Main, Hamburg, Idstein, Köln, München und den Studienzentren in Berlin, Düsseldorf und New York gehört mit rund 12.000 Studierenden zu den größten und renommiertesten privaten Hochschulen in Deutschland. Sie blickt auf eine mehr als 170-jährige Tradition zurück. 1848 gründete Carl Remigius Fresenius in Wiesbaden das "Chemische Laboratorium Fresenius", das sich von Beginn an sowohl der Laborpraxis als auch der Ausbildung widmete. Seit 1971 ist die Hochschule staatlich anerkannt. Sie verfügt über ein sehr breites, vielfältiges Fächerangebot und bietet in den Fachbereichen Chemie & Biologie, Design, Gesundheit & Soziales, onlineplus sowie Wirtschaft & Medien Bachelor- und Masterprogramme in Vollzeit sowie berufsbegleitende und ausbildungsbegleitende (duale) Studiengänge an. Die Hochschule Fresenius ist vom Wissenschaftsrat institutionell akkreditiert. Bei der Erstakkreditierung 2010 wurden insbesondere ihr "breites und innovatives Angebot an Bachelor- und Master-Studiengängen", "ihre Internationalität" sowie ihr "überzeugend gestalteter Praxisbezug" vom Wissenschaftsrat gewürdigt. Im April 2016 wurde sie vom Wissenschaftsrat für weitere fünf Jahre re-akkreditiert.

Weitere Informationen finden Sie auf unseren Websites: www.hs-fresenius.de

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Melanie Hahn
melanie.hahn@hs-fresenius.de
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