Ludwig-Maximilians-Universität München
ERC Advanced Grant für Politikwissenschaftler Christoph Knill
München (ots)
- Der Europäische Forschungsrat ERC zeichnet LMU-Politikwissenschaftler Christoph Knill mit einem prestigeträchtigen Advanced Grant aus.
- Das geförderte Projekt CRISPOL untersucht, wie sich der Umgang mit Krisen auf direkt betroffene und krisenferne Politikbereiche auswirkt.
- Ob und in welchem Ausmaß die Regierung krisenferne Bereiche zugunsten der Krisenbewältigung vernachlässigt (wie dies etwa für die Klimapolitik während der Corona-Krise der Fall war), wird anhand einer sektorübergreifenden Erfassung von 23 Ländern über einen Zeitraum von 50 Jahren analysiert.
Professor Christoph Knill erhält für sein Projekt CRISPOL (Systemic Effects of Crises on Policy-Making in Modern Democracies) einen Advanced Grant vom Europäischen Forschungsrat ERC. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Empirische Theorien der Politik am Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft der LMU. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit Politikwandel, der Veränderung von Staatstätigkeit, der Veränderung von nationalstaatlichen Verwaltungssystemen und der Beziehung zwischen Verwaltung und Politikgestaltung. CRISPOL untersucht die systemischen Auswirkungen von Krisen auf die demokratische Politikgestaltung.
Mit Advanced Grants unterstützt der ERC etablierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Fachbereiche, deren hochinnovative Forschung erheblich über den bisherigen Forschungsstand hinausgeht und neue Forschungsgebiete erschließt. Die Auszeichnung ist mit einer Förderung in Höhe von maximal 2,5 Millionen Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren verbunden. Für Knill ist es bereits der dritte Advanced Grant in seiner Karriere.
Im Teufelskreis der Krisen
Krieg, Corona, Klimakatastrophe - Krisen sind in modernen Demokratien längst kein Ausnahmezustand mehr, sondern zur Regel geworden. Weil diese dauerhaften Notstände die Aufmerksamkeit der Politik auf sich lenken, geraten Bereiche, die nicht akut betroffen sind, aus dem Blickfeld. Dies kann wiederum dazu führen, dass vernachlässigte Probleme ebenfalls eskalieren, wodurch Regierungen noch stärker mit der Bewältigung einer ständig wachsenden Zahl von Krisen belastet sind. Krisen ziehen weitere Krisen nach sich. Dieser Teufelskreis kann die demokratische Legitimation aushöhlen, das Vertrauen der Bevölkerung schwindet.
Wie genau es zu diesem Worst-Case-Szenario kommen kann, untersucht Christoph Knill im Zuge des ERC-geförderten Projekts CRISPOL. "Ich will verstehen, welche systemischen Wechselwirkungen sich bei politischen Entscheidungen als Reaktion auf Krisenereignisse ergeben und wie Krisen die staatliche Problemlösungsfähigkeit in krisennahen und krisenfernen Sektoren beeinflussen", erklärt der Politikwissenschaftler. Das will er sowohl theoretisch als auch empirisch erfassen und nimmt dabei verschiedene politische Sektoren in 23 Ländern der OECD über einen Zeitraum von 50 Jahren unter die Lupe.
Erholung oder Eskalation?
Einerseits analysiert CRISPOL, ob man tatsächlich Verdrängungseffekte in bestimmten Bereichen beobachten kann, wenn es an anderer Stelle gerade brennt. Gehen also radikale Abweichungen vom Status quo in "krisennahen" Sektoren auf Kosten "krisenfernerer" Sektoren? Und wenn ja: Ist diese Vernachlässigung anhaltend? "Es ist wichtig, diese Dynamik über längere Zeiträume hinweg zu betrachten", sagt Knill. Die Frage sei, ob vernachlässigte Politikbereiche nach der Krise wieder aufholen könnten. "Wird die krisenbedingte Trägheit der Politik durch einen dynamischeren Wandel in der Zeit nach der Krise ausgeglichen? Oder haben Krisen dauerhafte Auswirkungen auf die Dynamik in krisenfernen Sektoren?"
Außerdem interessiert Knill sich dafür, inwiefern sich verschiedene Länder in dieser Hinsicht voneinander unterscheiden. Daraus könnte man durchaus Lehren für die Zukunft ziehen: "Bestimmte Länder sind vielleicht besser darin, Krisen zu bewältigen und gleichzeitig andere Politikbereiche anzugehen. CRISPOL will herausfinden, welche Faktoren zu dieser Fähigkeit beitragen."
Christoph Knill wurde an der Universität Bielefeld promoviert und habilitierte sich an der FernUniversität Hagen im Fach Politikwissenschaft. Vor seinem Ruf als Professor an die LMU im Jahr 2014 war er Professor für Europäische Studien an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Ordinarius für Politik- und Verwaltungswissenschaft an der Universität Konstanz.
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