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Aachener Nachrichten: Alles wie gehabt - Der EU-Flüchtlingsgipfel war ein Desaster, Ein Kommentar von Joachim Zinsen

Aachen (ots)

In der Flüchtlingspolitik bleibt alles wie gehabt: Auf humanitäre Katastrophen folgen Krokodilstränen, auf Krokodilstränen folgen Versprechungen, auf Versprechungen folgt Untätigkeit. Am Anfang dieser Woche stand der Aufschrei über den Tod von mehr als tausend Migranten im Mittelmeer. Am Ende dieser Woche steht ein Gipfel von 28 Staats-und Regierungschefs, der Worthülsen produziert und falsche Akzente gesetzt hat. Kirchen und Hilfsorganisationen, Europapolitiker und die deutsche Opposition sind zu Recht bestürzt. Der zentrale Beschluss des EU-Gipfels, mit aller Gewalt gegen Schlepperorganisationen vorzugehen, ist ein politisches Placebo. Er soll Handlungsstärke vortäuschen und vom eigenen Versagen ablenken. Natürlich sind Schleuserbanden keine Wohltätigkeitsorganisationen. Aber sie sind auch nicht die Ursache des Massensterbens. Die Schlepper sind nur skrupellose Nutznießer eines jahrzehntelangen Politikversagens. Selbst wenn es gelingen sollte, einige ihrer Boote zu zerstören, ist nichts gewonnen. Denn das Hauptproblem bleibt: Hunderttausende Flüchtlinge riskieren ihr Leben, weil Krieg und Armut ihnen jede Perspektive geraubt haben. Sie werden weiter versuchen, nach Europa zu kommen. Schlepper werden diese Nachfrage weiterhin bedienen, werden für Flüchtlinge neue Routen finden. Das große Sterben wird weitergehen, allenfalls ein wenig versteckter. Wenn die europäische Gemeinschaft dem Geschäftsmodell der Schleuser tatsächlich die Grundlage entziehen will, dann muss sie Migranten legale Wege in die EU öffnen. Doch das ist auf dem Sondergipfel nicht geschehen. Nach wie vor sind die EU-Staaten von einer gemeinsamen Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik meilenweit entfernt. Nach wie vor gibt es keine dauerhafte europäische Seenotrettung, deren erstes Ziel es ist, Menschen vor dem Ertrinken zu bewahren. Es fehlt immer noch eine Einigung darüber, nach welchem Schlüssel Flüchtlinge auf die EU-Mitgliedsstaaten verteilt werden. Humanitäre Werte sind auf dem Gipfel an nationalen Egoismen zerschellt. Die europäischen Staaten sind offensichtlich unfähig, sich trotz des Massensterbens auf wirksame Hilfsmaßnahmen zu einigen. Ebenso beschämend ist es, dass aus ihrer Debatte die Fluchtgründe ausgeblendet werden, für die Europa verantwortlich ist. Wenn europäische Staaten Waffen in Krisengebiete liefern, wenn die EU eine Agrarpolitik betreibt, die afrikanische Märkte zerstört, wenn europäische Konzerne in Ländern südlich der Sahara am Landraub beteiligt sind, wenn Fangflotten aus der EU das Meer vor der afrikanischen Küste leerfischen, wenn Deutschland seit 45 Jahren seine Verpflichtung umgeht, 0,7 Prozent des Bruttosozialproduktes in die Entwicklungshilfe zu stecken, dann darf sich niemand über Flüchtlinge wundern. Und sich erst recht nicht beklagen.

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Telefon: 0241 5101-388
an-blattmacher@zeitungsverlag-aachen.de

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