Aachener Nachrichten: Wir brauchen Hebammen Geburtshelferinnen brauchen bessere Arbeitsbedingungen Von Christina Merkelbach
Aachen (ots)
Viele Berufe sind vom Aussterben bedroht, weil Roboter oder Computerprogramme sie früher oder später ersetzen. Oder weil in ihnen etwas hergestellt wird, das niemand mehr braucht. Dass Maschinen jemals die Aufgabe von Hebammen übernehmen könnten, ist aus ethischen und praktischen Gründen undenkbar. Schließlich verlaufen Geburten nie nach Schema F. Auch der Bedarf an Hebammen ist groß und wird es bleiben, denn "geboren wird immer". Auch wenn zumindest die Deutschen und viele andere Europäer insgesamt weniger Kinder bekommen als noch vor 20 Jahren. Trotzdem könnte es in nicht allzu ferner Zukunft keine Hebammen mehr geben. Immer mehr von ihnen geben auf. Immer weniger rücken nach. Der Berufsstand kämpft gleich an mehreren Fronten. Nach wie vor nicht endgültig geklärt ist etwa das Problem der hohen Haftpflichtprämien für freiberuflich arbeitende Geburtshelferinnen, sogenannte Beleghebammen. Nach Angaben des Berufsverbands sind aber auch zunehmend weniger Hebammen bereit, angestellt und in Vollzeit an einer Klinik zu arbeiten. Die Arbeitsbelastung sei derart hoch, dass sie durchschnittlich drei bis fünf Geburten parallel betreuen müssten. Nicht selten sogar noch gleichzeitig einen Kaiserschnitt im OP. Viele konzentrieren sich deshalb auf Vor- und Nachsorge, was wiederum auch alles andere als üppig vergütet wird. In Einzelfällen sogar gerade einmal kostendeckend. Niedriger Verdienst mag generell ein Problem von Berufen sein, die nah am Menschen" sind. Sie verdienen viel Anerkennung und bekommen wenig Geld. Pfleger und Sozialarbeiter können ein Lied davon singen. Dass das jeder weiß, der sich für einen dieser Berufe entscheidet, ändert nichts daran, dass es unfair ist. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) müsste den Hebammen den Rücken stärken. Dass er und auch sonst niemand aus der Bundesregierung es tun, ist aus zwei Gründen inkonsequent. Laut Hebammengesetz muss nämlich bei jeder Geburt eine Hebamme anwesend sein. Ein Arzt darf eine Frau nur im Notfall ohne Geburtshelferin entbinden. Sie muss auch bei Kaiserschnitt-Operationen anwesend sein. Alle drei gesetzlichen Regelungen sind durch den Hebammenmangel in Gefahr. Es ist auch inkonsequent, sich mit guter Familienpolitik zu brüsten, wenn man gleichzeitig die flächendeckende Versorgung mit Hebammen gefährdet. Denn das ist eine familien- und gesundheitspolitische Maßnahme, deren Sinnhaftigkeit niemand infrage stellen kann. Verschiedene private Initiativen im Internet setzen sich beispielsweise mit Online-Petitionen an die Bundesregierung für die Geburtshelferinnen ein. Oft sind es junge Eltern, die aus eigener Erfahrung wissen, wie unerlässlich die Hebammen nicht nur während, sondern auch vor und nach der Geburt sind. Sie nehmen sich die Zeit, die Ärzte oft nicht haben. Sie stehen mit Rat und Tat zur Seite, wo und wenn es niemand anders kann. Als ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Versandhandel mit Medikamenten vor kurzem für Unruhe bei Deutschlands Apothekern sorgte, ließ der politische Aufschrei nicht lange auf sich warten. Ob zu Recht oder nicht, soll an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Jedenfalls brachten verschiedene Länder Initiativen im Bundesrat ein, das Bundesgesundheitsministerium kündigte ein eigenes Gesetz zum Schutz der stationären Apotheken an. Bei den Hebammen bleibt der große Aufschrei von politischer Seite bislang aus. Ihnen fehlt die Lobby. Zeit, dass sich das ändert.
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