Mittelbayerische Zeitung: Banker sollen mithelfen // Die Finanztransaktionssteuer ist ein gutes Instrument. Dass sie kommt, ist aber unwahrscheinlich.
Regensburg (ots)
Vom Mut machenden "Barroso Löwenherz" bis zum scherzhaften "Mein Name ist Bond, Euro-Bond" gaben die Europaabgeordneten José Manuel Barroso gestern alle möglichen Titel als Reaktion auf seinen Bericht im Parlament zur Lage der Europäischen Union. Eine Abgeordnete meinte, er solle sich schämen, eine andere riet ihm, sich nach einem neuen Job umzuschauen, weil er nicht alle Mitgliedstaaten gleichermaßen vertrete. Doch die Mehrheit der Europaabgeordneten und die Spitze der polnischen Ratspräsidentschaft klatschten Beifall zur deutlichen Entschlossenheit, die Barroso an den Tag legte. Jetzt gelte es, Europa herauszureißen aus der Krise, und zwar gemeinsam: "Ich habe keinen Zweifel an der Demokratie und der sozialen Marktwirtschaft der EU. Freundliche Ratschläge einiger Partner können wir dankend ablehnen, denn wir sind stolz darauf, Europäer zu sein, stolz auf eine gemeinsame Zukunft. Packen wir es an, wir können unser Europa verwirklichen." Entscheidend ist, was in den kommenden Wochen passiert. Ob die Kommission wirklich einen stichhaltigen "Barroso-Plan" beim Euro-Gipfel vorlegen wird. Die EU-Abgeordneten erwarten einen genauen Fahrplan für eine Wirtschafts- und Sozialunion. Er könnte der Mann sein, der eine Wirtschaftsregierung endlich voranbringt. Auch um Finanzprodukte zu regulieren, "die kein normaler Mensch mehr versteht", wie es sich Martin Schulz von den Sozialdemokraten wünscht. Es wird Zeit, dass die Banker mithelfen, die öffentlichen Schulden zu verringern und die Haushalte zu stabilisieren. Da hat Barroso Recht. Doch die Chancen stehen schlecht, dass der Kommissionspräsident mit seiner Finanztransaktionssteuer durchkommt. Einige Mitgliedstaaten treiben schon längst eine solche Steuer ein. Diese lassen sich das Geld sicher nicht ohne Widerstand durch die Kommission nehmen, die es dann nach ihren Regeln verteilt. Richtig ist auch, dass sich eine Gemeinschaft nicht durch Mitglieder wie Großbritannien ausbremsen lassen darf, die selbst nur widerwillig und langsam mitziehen. Die Pflicht zur Einstimmigkeit wird als großes Problem empfunden. Oder wie Barroso es formulierte: "Natürlich dürfen Mitgliedstaaten anderer Meinung sein. Doch sie haben nicht das Recht, andere zu blockieren." Wäre es aber wirklich ratsam, die Einstimmigkeit in der Union aufzugeben? Was wäre denn los, wenn es einmal nicht um andere, sondern um uns ginge? Was, wenn alle anderen Mitglieder der Union einmal etwas gegen Deutschland entscheiden würden und wir bei etwas mitmachen müssten, hinter dem wir nicht stehen? Die Finanz-, Wirtschafts- und Sozialkrise ist ein extremer Belastungstest. Nicht nur für die Nerven der Steuerzahler, Staats- und Regierungschefs, sondern auch für die Architektur der Europäischen Union. Dort wo sich Mängel zeigen, muss ausgebessert werden. Die Instrumente gehören noch einmal überprüft und wenn nötig überarbeitet. Die Finanztransaktionssteuer soll nur eines von vielen Instrumenten sein, mit denen das Ruder herumgerissen werden soll. Weg vom bloßen Reagieren, hin zum vorausschauenden Agieren. Der Stabilitätspakt schreibt vor, was erlaubt ist. Wer die Richtwerte über- oder unterschreitet, muss handeln. Automatische Sanktionen setzten sich nicht durch. Doch Schludrigkeit und wirtschaftliches Unvermögen der nationalen Regierungen können frühzeitig aufgedeckt werden. Damit besteht wieder Hoffnung, dass die Gemeinschaft endlich wieder Herr über die Situation wird und nicht mehr nur als Notarzt zu flicken versucht, was noch zu retten ist, weil der Notruf zu spät kam.
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