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Mittelbayerische Zeitung: Die italienische Krankheit

Regensburg (ots)

Es gibt ein Bild, das alles über Silvio Berlusconi sagt: 1977 ließ sich der damals schon schwerreiche Konzernchef für eine Zeitung in seinem Büro fotografieren. Er sitzt mit ernstem Blick vor seinem Schreibtisch, auf dem ganz offen eine Pistole liegt - es ist die Pose eines Mafia-Paten à la Don Vito Corleone. Die Botschaft ist eindeutig: Ich bin hier, um zu stehlen. Don Silvio kam, sah und nahm sich den Staat als Beute. Italien sei ein Hurenhaus, ein Schiff ohne Steuer, schrieb Dante in seiner "Göttlichen Komödie". Unter Berlusconi sind die Zeilen des Dichters zur Realität des heutigen politischen Betriebs in Rom geworden. Der Premier hat nichts ausgelassen, um sich selbst, die herrschende Klasse und letztlich das ganze Land in Verruf zu bringen - und an den Abgrund zu führen. Aus seiner langen Liste der Skandale, Affären und Prozesse hätte in einem anderen westlichen Land ein einziger Fall gereicht, um die Regierung zu stürzen. Nicht aber in Rom. Berlusconi hat bis gestern alles überstanden. Weil er das Recht beugte, weil er sich Loyalität erkaufte, weil er seine Herrschaft auf Patronage errichtete. Er schneiderte sich die Gesetze so zurecht, dass ihm die Ankläger für seine mutmaßlich kriminellen Machenschaften bislang nichts anhaben konnten. Dass er dennoch über die "Diktatur der linken Richter" schimpfte zeigt nur, wie sehr er die Justiz eigentlich fürchtet. In die Regierung und in das Parlament setzte er seine Konkubinen, damit er sie selbst nicht mehr versorgen musste. So machte er den Staat zum Zuhälter für seine Privatinteressen. Und das Abgeordnetenhaus stellte er damit auf eine Stufe mit einem Bordell. Mit seinen politischen Methoden höhlte Berlusconi Demokratie und Rechtsstaatlichkeit von innen aus. Von außen fuhr er sein Medienimperium als Sturmgeschütz auf, um der TV-Nation mit einem Trommelfeuer aus Belanglosigkeiten und Sexismus eine Gehirnwäsche zu verpassen. Seinen erneuten Wahlsieg vor drei Jahren gegen eine zerstrittene Opposition ergaunerte sich Berlusconi mit Lügen. Er versprach, Italien zu reformieren und zu modernisieren. Das Gegenteil ist passiert. Der Ministerpräsident füllte seine Taschen und sah zu, wie das Land vor die Hunde ging. Äußere Zeichen dafür gibt es viele: Der Exodus von Unternehmern, die keine Zukunft mehr in ihrer Heimat sehen. Die Industriellen, die Berlusconi einst hofierten, inzwischen aber zum Teufel wünschen. Das Heer der arbeitslosen Jugendlichen, das einer erstarrten Gerontokratie gegenübersteht. Die Schattenwirtschaft - bestehend aus Mafia, Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung - durch die der Staat jedes Jahr um 400 Milliarden Euro gebracht wird. Oder die hohen Zinsen, die wegen des riesigen Schuldenbergs fällig werden. Italien zahlt doppelt so viel für seine Staatsanleihen wie Kolumbien - ein Land, in dem Drogenkartelle das Sagen haben. Warum das Volk Berlusconi nicht längst davongejagt hat, erklärt sich zumindest in Ansätzen, wenn man auf die Hauptursache der italienischen Krankheit blickt. Das ganze Land wird gelähmt durch einen wohl auf der ganzen Welt einmaligen Regelungs- und Vorschriftenwahn. Einem Durchschnittsbürger oder -Unternehmer ist es schlichtweg nicht möglich, alle Gesetze einzuhalten - es sei denn, er würde einen persönlichen Steuerberater und einen privaten Rechtsanwalt beschäftigen. Somit bewegt sich jeder Italiener entweder am Rande der Legalität, oder er wird Teil der Schattenwirtschaft. Aus diesem Blickwinkel betrachtet fühlen sich viele Bürger wie Komplizen eines Regierungschefs, der selbst die Regeln bricht. Italien braucht eine grundlegende Erneuerung und ehrliche Sparbemühungen, um seine Krankheit zu besiegen. Und um zu verhindern, dass das Land den ganzen Euroraum in den Abgrund reißt. Berlusconi steht den nötigen Reformen im Weg. Er gehört zur Sorte Politiker, die sich in ihrem Cäsarenwahn für unersetzlich halten. Doch immer mehr seiner einstigen Weggefährten wenden sich ab. Aus persönlichen Karrieremotiven und weil einige noch einen Funken Verantwortung für ihr Volk empfinden, entzogen sie Berlusconi gestern im Parlament das Vertrauen. Damit ist das Ende der Ära Berlusconi eingeläutet.

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