Alle Storys
Folgen
Keine Story von Mittelbayerische Zeitung mehr verpassen.

Mittelbayerische Zeitung

Mittelbayerische Zeitung: Die Euro-Revolution
Die neuen Regierungen in Rom und Athen symbolisieren Umbrüche von historischer Dimension.

Regensburg (ots)

In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt. Doch inzwischen darf auch die Eurokrise als Rechtfertigungsgrund für Tabubrüche jeglicher Art herhalten. Denn was sich in den vergangenen Tagen in Italien und in Griechenland abspielte, kommt einer doppelten Revolution gleich. Bereits der erste Aspekt des von außen betriebenen Umsturzes ist atemberaubend. Zwei Regierungen europäischer Staaten müssen auf gemeinsamen Druck der eigentlich befreundeten Länder Deutschland und Frankreich - selbst gehörig unter der Fuchtel der Finanzmärkte - den Hut nehmen. Das stellt einen Vorgang dar, der in die Geschichtsbücher eingehen wird. Teil 2 der Revolution besitzt ebenso eine historische Dimension: Die bisherige politische Klasse wird durch eher kühle und universitäre Experten ersetzt. In Rom und Athen übernehmen Technokraten das Ruder. Das bedeutet ein deutliches Misstrauensvotum gegenüber den Politikern, die ihre Länder durch eine in sämtlichen Facetten vorhandene Misswirtschaft an den Abgrund geführt haben. In Italien und Griechenland schlägt die Stunde der Wahrheit. Denn durch den Rettungsschirm - egal wie weit er noch aufgespannt werden sollte - wird keine einzige Ursache der Schuldenprobleme gelöst. Mit dem Antritt der Krisenregierungen in beiden Staaten ist der Erwartungsdruck auf die kränkelnden Euro-Länder enorm gestiegen. Während die Finanzmärkte bereits munter spekulieren, ob neue Besen tatsächlich besser kehren, wollen die EU-Partner jetzt endlich Taten sehen. Allen voran das Rettungstandem Merkel/Sarkozy erwartet vom Anti-Berlusconi Mario Monti und vom Papandreou-Erben Lucas Papademos Befreiungsschläge, zu denen die Vorgänger nicht in der Lage waren. In dem Maße, wie sich die neuen Herren in Rom und Athen von der alten Politikerkaste abheben, unterscheiden sich auch die Verhältnisse in beiden Ländern. Wie bei zwei aufeinandertreffenden tektonischen Platten werden dort die Bruchlinien der Eurozone sichtbar, die - falls die Reformbemühungen scheitern - das große Finanzbeben auslösen werden. In Griechenland wartet auf den Rettungspremier Papademos eine Sisyphusarbeit mit verschärften Spielregeln. Obwohl er noch gar nicht mit Reformen begonnen hat, fliegen ihm schon von allen Seiten die Knüppel vor die Beine. Wieder gehen die Unzufriedenen auf die Straße. Die Lobbygruppen von den Taxifahrern bis hin zu den Beamten kämpfen weiter verbissen um ihre Privilegien. Die Reichen denken gar nicht daran, wenigstens einen Teil ihrer Steuerschulden zu begleichen. Es herrscht die totale Reformverweigerung, während die Wirtschaft in der Abwärtsspirale rotiert. Papademos ist zweifellos ein ehrenwerter Mann und hochversierter Finanzexperte. Doch seine Übergangsregierung gibt sich selbst nur drei Monate bis zu vorgezogenen Neuwahlen. In dieser kurzen Zeitspanne die miese Stimmung im Land in Begeisterung zu verwandeln und gleichzeitig die Blockadehaltung der Privilegierten aufzubrechen, käme einem Wunder gleich. So wird erst die Wahl im Februar entscheiden, wie es in Griechenland weitergeht. Sie wird zur Volksabstimmung, die man Papandreou verweigerte. Sollten dann die Populisten den Sieg davontragen, dürfte es mit der Euro-Mitgliedschaft bald vorbei sein. In Italien dagegen kann der Finanzexperte Monti sein Rettungskonzept auf mehreren tragfähigen Säulen errichten. Die mittelständisch geprägte Wirtschaft besitzt eine starke Sub-stanz. Außerdem übernehmen die Reichen des Landes Verantwortung. Anstatt wie die Griechen ihre Euros gegen Londoner Luxusimmobilien zu tauschen, kündigten Tausende Unternehmer jetzt an, italienische Staatsanleihen zu kaufen - ein starkes Signal an die Finanzmärkte und an das eigene Volk. Zusätzlich wirkt der Abgang Berlusconis wie ein Befreiungsschlag für das ganze Land. Für den Reformer Monti könnte sich das als Schlüssel erweisen, um auch unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen, oder endlich die überbordende Bürokratie zu entrümpeln. Vor allem könnte ihm die Aufbruchsstimmung helfen, die Schattenwirtschaft, die das Land auszehrt, erfolgreicher als seine Vorgänger zu bekämpfen. In Italien wird - wenn Monti nicht stolpert - ein dritter Aspekt der europäischen Revolution greifbar: Nämlich dass Reformdruck auch Gutes erschaffen kann.

Pressekontakt:

Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Mittelbayerische Zeitung
Weitere Storys: Mittelbayerische Zeitung
  • 16.11.2011 – 23:26

    Mittelbayerische Zeitung: Zu Infineon:

    Regensburg (ots) - "In dem was wir tun, zu den drei Besten zu gehören - mindestens." Dieses einfache, für einen deutschen Hersteller in der asiatisch dominierten (und subventionierten) Chipbranche aber schwer zu erreichende Prinzip hat Peter Bauer bei seiner Amtsübernahme ausgegeben. Drei Jahre später kann er sagen: Ziel erreicht - mindestens. Mehr als eine Milliarde Euro verdient, den Unternehmenswert auf knapp ...

  • 16.11.2011 – 23:24

    Mittelbayerische Zeitung: Zur Steuerpolitik: Steuer-Wirrwarr

    Regensburg (ots) - Was ist insbesondere die FDP für ihr "Steuergeschenk" an die angeblich so reichen Hoteliers geschimpft worden. In vollem Umfang berechtigt war das nicht, wie die Zahlen des Hotel- und Gaststättenverbandes für Ostbayern zeigen. Nicht alle, aber doch viele Hotelunternehmer haben nach der Reduzierung des Steuersatzes Geld in die Hand genommen, und die touristische Infrastruktur verbessert. Das ist im ...