Mittelbayerische Zeitung: Zum Haus der bayerischen Geschichte
Das Bayern-Museum ist ein Grund zum Jubel. Die Zukunftsaufgabe bleibt: die Kunst von morgen zu nähren.
Regensburg (ots)
Das war eine gute Woche für Regensburg. Mit dem Zuschlag für das Museum der bayerischen Geschichte, das der Freistaat bis 2018 für 61,5 Millionen Euro bauen will, hat die Welterbestadt viel zu gewinnen: kulturell und ideell, architektonisch, städtebaulich, touristisch und wirtschaftlich. Das Haus wird eine Premium-Adresse für Besucher, wie jede Stadt sie sich wünscht: Menschen, die interessiert sind am kulturellen Austausch und an demokratischer Bildung. Das Projekt bietet zweitens die Chance auf Architektur der Moderne, wie Regensburg sie noch zu wenig besitzt. Wer an jüngere Museumsbauten denkt, bekommt ein Bild davon, welcher Zugewinn zu erwarten ist: siehe das Brandhorst-Museum in München von Sauerbruch Hutton mit seiner Keramik-Fassade, siehe das militärhistorische Museum in Dresden, wo der Glaskeil von Daniel Libeskind nicht nur den Riss durch die Geschichte symbolisiert, sondern auch zeigt, wie modernes Bauen in alter Substanz meisterhaft gelingt. Das Museum wird drittens eine alte Wunde am Donaumarkt schließen. Das Projekt auf dem Areal, das wie kein anderes über Jahrzehnte der Zankapfel der Regensburger war, eint jetzt die Bürgerschaft wie selten. Auch für Bayern ist Regensburg die richtige Wahl. Das Museum entsteht geografisch in der Mitte des Freistaats und geschichtlich an der Wiege Bayerns. Es wird Regensburgs historische Rolle sichtbar machen, als alte bayerische Herzogsstadt, als Stadt der deutschen Könige und Kaiser, als Schauplatz der Hof- und Reichstage. Die Fachjury und das Kabinett trafen ihre Wahl einhellig. Die böse Kritik an einem angeblich intransparenten Verfahren, die nach der Entscheidung fiel, hat zu tun mit falschem Timing. Als Ministerpräsident Horst Seehofer in Regensburg die Nachricht vorab fast unverhohlen verkündete, fütterte er den Verdacht auf ein abgekartetes Spiel. Eine Wahl, die Experten und Politiker ohne einzige Gegenstimme treffen, ist aber eines gerade nicht: unsauber. Das tröpfchenweise Durchsickern der Entscheidung brach dem Jubel aber wohl die Spitze ab. Am Mittwoch stießen Regensburgs Oberbürgermeister Hans Schaidinger und seine Verwalter zwar mit Sekt auf die gute Nachricht an, Euphorie blieb aber aus. Der Glücksschaum war da schon schal geworden. Die Freude wurde auch gedämpft durch das Wissen um den harten Finanzpoker, der jetzt beginnt. Regensburg wird zu dem Juwel am Donaumarkt seinen Teil beisteuern müssen, von mindestens acht Millionen Euro ist die Rede. In den übrigen fünf Bewerberstädten, die es neben Regensburg in die Finalrunde schafften, hatte man sich das Museum sehnlich gewünscht, ohne Wenn und Aber. In Regensburg gab es auch Stimmen, die die Kandidatur ambivalent bewerteten - mit Verweis auf eine vergleichsweise dürre Landschaft für zeitgenössische Kultur. Dazu muss man etwas ausholen: Unser Leben entrollt sich in der Horizontalen. Wir folgen dem Lauf der Dinge, wir verlassen Räume und betreten neue. Die Transzendenz spielt sich in der Vertikalen ab, auf der Linie zwischen Wurzel und Himmel, Ausgangspunkt und Ziel. Eine Stadtgesellschaft, die nicht bloß funktionieren, sondern beseelt und geeint auf ein Ziel gerichtet sein will, braucht diese Vertikale. "Zukunft braucht Herkunft" war mal ein gängiger Slogan dafür. An Herkunft ist Regensburg reich. "Herkunft braucht Zukunft": Wer in diese Richtung blickt, sieht wenig. Das Museum für bayerische Geschichte wird eine Bereicherung. Aber eine Kunsthalle, ein Haus für Architektur oder eine Denkfabrik für Kreative ersetzt sie nicht. Diese Zukunftsaufgabe bleibt.
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