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Mittelbayerische Zeitung: Gefährliche Vorverurteilung

Regensburg (ots)

Von Christine Strasser

Sprache bestimmt das Denken, und aus dem Denken entstehen Taten. Deshalb hat die Jury für das Unwort des Jahres auch eine gute Entscheidung getroffen. Der Begriff "Döner-Morde" verschleiert Geringschätzung und setzt die Würde von Menschen herab. In ihrer Begründung erlaubt sich die Sprachjury aber ihrerseits eine Vorverurteilung, die ihr nicht zusteht. Die Jury rügt, dass der Begriff "Döner-Morde" von Polizei und Medien geprägt und gebraucht worden sei, um von der politischen Dimension der Verbrechen abzulenken. Wörtlich steht da: "Der Ausdruck steht prototypisch dafür, dass die politische Dimension der Mordserie jahrelang verkannt und willentlich ignoriert wurde: Die Unterstellung, die Motive der Morde seien im kriminellen Milieu von Schutzgeld- und/oder Drogengeschäften zu suchen, wurde mit dieser Bezeichnung gestützt." Das ist eine schwere Anschuldigung. Deshalb nochmal: Der unselige Begriff "Döner-Morde" ist ein ekelhaftes Gemisch aus Gedankenlosigkeit und hämischer Folklore. Die Opfer wurden zu "Dönern" gemacht, als hätten sie keine Namen. Doch die Untersuchungen, ob der politische Hintergrund der Taten von den Behörden "willentlich ignoriert" wurde, laufen noch. Zwei Ermittlungsausschüsse wurden gerade erst eingesetzt. Möglich ist weiterhin auch, dass die Verantwortlichen "nur" versagt haben, ohne sich bei ihren Ermittlungen schuldhaft verhalten zu haben. Das alles ist noch nicht abschließend geklärt. Es gehört zu den Grundsätzen des Rechtsstaates, die Urteile seiner gesetzmäßigen Institutionen abzuwarten. Gedankenlos gewählte Worte sind gefährlich. Auch und gerade eine Sprachjury sollte deshalb ihre Wortwahl genau bedenken. Der Grundsatz, dass jemand erst als schuldig gilt, wenn seine Schuld bewiesen ist, muss für alle gelten.

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