Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Familiensplitting: Kinderleicht gemacht von Maria Gruber
Regensburg (ots)
Mehr Geld für Familien? Eine gute Idee. Nur: Dafür hätte es keiner langjährigen Untersuchung bedurft.
Ein Familiensplitting und höheres Kindergeld: Das sind also die Schlussfolgerungen der Bundesregierung, nachdem sie über Jahre hinweg die Leistungen für Familien auf ihre Wirksamkeit überprüft hat. Familien- und Finanzministerium haben es sich kinderleicht gemacht und kurzerhand vorgeschlagen, die populären finanziellen Zuwendungen für Familien zu erhöhen. Eine gute Idee. Nur: Das wäre auch schneller, einfacher und billiger gegangen. Wer Aufwand und Ertrag oder, besser gesagt, Anspruch und tatsächliches Ergebnis dieser "Gesamtevaluation der ehe- und familienpolitischen Leistungen" vergleicht, muss enttäuscht sein. Explizites Ziel war, alle 156 Einzelleistungen auf ihre Wirksamkeit sowie auf mögliche negative Wechselwirkungen hin zu überprüfen und auf Basis dieser Untersuchungsergebnisse einen politischen Forderungskatalog zu formulieren. Zumindest wäre so einer zu erwarten gewesen angesichts der Tatsache, dass es laut Familienministerium elf verschiedene "Untersuchungsmodule" und ebenso viele "Endberichte" der Forscher gibt. Man muss wahrlich kein Wissenschaftler sein, um zum Beispiel eine gewisse, vielleicht sogar negative Wechselwirkung zwischen Kindergeld, Elterngeld, dem Ausbau der Kinderbetreuungsplätze für unter Dreijährige und dem Betreuungsgeld zu erkennen. Doch Familienministerin Kristina Schröder und ihr CDU-Kollege vom Finanzministerium, Wolfgang Schäuble, ließen die heißen Eisen liegen und pickten sich zwei Teilbereiche heraus, die sich sehr gut verkaufen lassen. Politisch gesehen hat die Bundesregierung die extrem komplexe Problematik somit ziemlich klug gelöst. Wer sich etwa die "Akzeptanzanalyse I" durchliest, erfährt, dass das Kindergeld derart beliebt ist, dass es kaum wegzudenken wäre. Ebenso erfährt man, dass fast zwei Drittel der Familien das Ehegattensplitting als "besonders wichtig" einstufen - sich viele aber wünschen, dass es nicht nur verheirateten Paaren, sondern auch Unverheirateten mit Kindern zugute kommen soll. Das haben sich Schröder und Schäuble zu Herzen genommen und damit sogar mehrere Fliegen auf einen Schlag erwischt. Erstens: Die Erhöhung finanzieller Zuwendungen ziehen immer und Familien stellen ein großes Wählerpotenzial dar. Zweitens: Mit dem Familiensplitting ködert die CDU nicht nur ihr traditionelles Klientel, sondern bietet auch Unverheirateten sowie eingetragenen Lebenspartnerschaften mit Kindern einen Grund, am 22. September das Kreuzchen bei der CSU bzw. CDU zu machen. Drittens: Die klassischen Familien - Verheiratete mit Kind(ern) - müssen sich dadurch nicht benachteiligt fühlen, denn diese Konstellation zieht noch immer den größten Nutzen aus dem Splitting. Doch das Beste daran ist, dass sich die Union vor der Bundestagswahl nicht mehr darum streiten muss, wo das Geld dafür herkommen soll. Denn es gibt überhaupt keine Möglichkeit mehr, die Forderungen bis dahin umzusetzen. Danach wiederum kann sich die Union mit Verweis auf ihren neuen Koalitionspartner darauf rausreden, dass dieser die Maßnahme nicht unterstützt, weshalb sie sich leider nicht realisieren lässt. Diese Art von Symbolpolitik wird jedoch nicht nur im Familienministerium gemacht. Dasselbe Spiel spielt Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP): Nach Jahren soll in wenigen Tagen der Bericht des Expertenbeirats zum neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff erscheinen. Damit kann er sich drei Monate vor der Wahl schmücken, in Gesetzesform wird bis zum Herbst jedoch nichts mehr gegossen. Das verbreitete das Ministerium rücksichtsvollerweise schon vor der Präsentation des Berichts. So vermeidet man weitere Frustration, nachdem schon die bisherige Pflege-Bilanz Bahrs eine einzige Enttäuschung für Betroffene war. Und was ist mit der groß angekündigten Rentenreform von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU)? Auch die bleibt aus, verschwand im Nichts. Doch wenigstens gibt es hier Aussicht auf Besserung. Denn eine große Koalition nach der Bundestagswahl ist wahrscheinlich - die Vorschläge der SPD zur Rente sind in einigen Bereichen ähnlich. Bis dahin bleibt jedoch bleibt - wieder einmal - alles beim Alten.
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