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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Friedensnobelpreis: Ein ungedeckter Scheck von Christian Kucznierz

Regensburg (ots)

Die Verleihung des Friedensnobelpreises zeigt: In der Syrienkrise wird am falschen Ende angesetzt.

Wer gesagt bekommt, er habe etwas gut gemeint, weiß: Er hat sich bemüht. Und hat es dennoch vergeigt. Über die Entscheidung, die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen mit dem Friedensnobelpreis auszuzeichnen, lässt sich leider auch nur sagen: Sie ist gut gemeint. Sicher: Der Arbeit der OPCW gebührt aller Respekt. Die Inspektoren leisten derzeit in Syrien einen Beitrag dazu, dass sich Szenen wie die vom August nicht wiederholen. Ihr Einsatz ist ein Beitrag zur Friedenssicherung und zum Schutz Unschuldiger. Wer die Bilder von qualvoll erstickten Kindern und Erwachsenen gesehen hat, der weiß, was für eine furchtbare Waffe Giftgas ist. Wer sich dafür einsetzt, dass sie überall verbannt wird, leistet einen Beitrag dazu, die Welt ein Stück sicherer und besser zu machen. Aber der Haken an dieser Auszeichnung ist derselbe wie 2009 beim Friedensnobelpreis für den damals frisch ins Amt gekommenen US-Präsidenten Barack Obama: Sie ist eine Auszeichnung auf Vorschuss, ein ungedeckter Scheck. Obama ist ihr nicht gerecht geworden. Ob die OPCW dasselbe Urteil ereilen wird, muss sich zeigen. Es steht aber zu befürchten. Das liegt nicht an der Arbeit ihrer Mitglieder, sondern an ihrem derzeitigen Einsatz. Mit der Auszeichnung wollte die Jury der Organisation Rückhalt geben, vor allem während ihrer Mission in Syrien. Sie sollte eine Wertschätzung ebenso sein wie ein Verstärker: Wer widersetzt sich schon einem Friedensnobelpreisträger, der zumindest eine Zeit lang verstärkt im Fokus des Weltinteresses ist? Der Preis sollte zudem die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass der Einsatz chemischer Waffen nicht Geschichte, sondern immer noch grausame Realität ist. Aber die Auszeichnung offenbart, wie hilf- und konzeptlos die internationale Gemeinschaft dem Krieg in Syrien gegenübersteht. Die Menschen dort leiden und sterben - oder sie fliehen millionenfach in Länder, die mit der Aufnahme der Flüchtlinge heillos überfordert sind. Syrien ächzt unter einem Krieg, von dem nur ein kleiner Teil mit chemischen Waffen geführt wurde. 1400 tote Kinder und Erwachsene bei einem Giftgasangriff sind furchtbar. Aber jeden Tag, jede Woche, jeden Monat geht das Sterben durch konventionelle Waffen weiter - auch während die Inspektoren die Chemiewaffenlager überprüfen. Die Genehmigung ihres Einsatzes durch das Assad-Regime ist ein Deckmantel, hinter dem sich das konventionelle Morden besser verstecken lässt. Die Vereinten Nationen haben zu Recht die Einigung auf den Einsatz der Chemiewaffeninspektoren als Erfolg verbucht, weil so dem unwürdigen Geschachere im Sicherheitsrat ein Ende bereitet wurde. Aber die Entscheidung hat nicht das Ende des Krieges in Syrien eingeleitet, sondern nur eine Spielart des Tötens verhindert. Im Grunde ging es dem Westen darum, das Gesicht zu wahren, weil nach dem Überschreiten von Obamas "roter Linie", dem Einsatz von Chemiewaffen, Sanktionen ausblieben. Und es ging darum, die immensen Chemiewaffenbestände nicht in die Hände von Extremisten fallen zu lassen. Das ist ein triftiger Grund. Die Inspektion wird den Einsatz von Massenvernichtungswaffen stoppen. Aber sie beendet den Krieg nicht. Dafür müssten alle Konfliktparteien an einen Tisch und Assad zu Fall gebracht werden. Doch dazu fehlt es an einer gemeinsamen Haltung der Vetomächte im UN-Sicherheitsrat. Insofern ist der Friedensnobelpreis in diesem Jahr verschenkt. Er geht an eine Organisation, die für das Gute eintritt, aber alleine nicht für die Sicherung des Friedens arbeiten kann, weil die Länder, die hinter ihr stehen, selbst nicht mit einer Stimme für den Frieden sprechen. Das Nobelpreiskomitee hat es gut gemeint. Aber eine Auszeichnung für Malala Yousafzai, noch dazu am Weltmädchentag, hätte bedeutet, es auch gut zu machen.

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