Mittelbayerische Zeitung: Zum Scheitern verurteilt
Die Syrien-Konferenz kann nur ein Wunder retten. Schuld daran ist der Westen aber selbst. Leitartikel von Christian Kucznierz
Regensburg (ots)
Beinahe drei Jahre dauert der blutige Bürgerkrieg in Syrien nun schon. Er hat Tausende von Menschenleben gekostet, Millionen zur Flucht gezwungen und damit die vielleicht schlimmste Flüchtlingskatastrophe der vergangenen Jahrzehnte ausgelöst. Von heute an böte sich die Chance auf ein Ende des Mordens, des Leids und der Tragödie. Aber es gilt nur der Konjunktiv. Die Friedensverhandlungen sind zum Scheitern verurteilt. Und schuld daran ist vor allem die internationale Staatengemeinschaft. Der Westen hat versagt. Im Angesicht des Grauens haben sich die Vereinten Nationen bislang nur darauf einigen können, dass das Assad-Regime seine Chemiewaffen ausliefert. Ja, die Vernichtung der abscheulichsten aller Waffen ist ein Erfolg - in dessen Schatten aber das konventionelle Töten weitergegangen ist. Berichte über Nagelbomben, die über Städten abgeworfen werden und unschuldige Menschen zerfetzen, finden kaum noch Eingang in die Berichterstattung. Weil sie bedeuten, dass nichts, aber auch gar nichts gut ist in Syrien. Wer heute behauptet, dass Basschar al-Assad im Amt bleiben müsse, weil alle anderen potenziellen Nachfolger noch schlimmer sein werden, hängt einer eigentümlichen Vorstellung von politischer Legitimität nach. Wie kann ein Mann, dessen Armee Giftgas gegen sein eigenes Volk eingesetzt hat, der den Tod von Kindern in Kauf nahm, im Amt bleiben? Wer kann ernsthaft fordern, dass ein Präsident nach einem der brutalsten Kriege der vergangenen Jahre seinen Posten behält, wenn er zulässt, dass in seinen Gefängnissen Menschen systematisch zu Tode gefoltert werden? Assad ist nicht, was er lange zu sein schien: Ein moderner, vielleicht sogar moderater Herrscher. Er ist ein gnadenloser Despot, der sich mit Macht, Militär und blutverschmierten Händen an sein Amt klammert. Aber weil hinter ihm eine ehemalige Supermacht - Russland - und eine Regionalmacht - Iran - stehen, traut sich niemand, auch nicht der einstige Weltpolizist USA, an Damaskus heran. US-Präsident Barack Obama hatte von einer "roten Linie" gesprochen, die überschritten sei, sollte Assad Giftgas einsetzen. Er tat es - und nichts geschah. Assad hat die USA in ihrer außenpolitischen Schwäche entblößt. Ebenso wie die Vereinten Nationen sich bloßstellen ließen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte die richtige Idee, als er den Iran bat, an den Verhandlungen in Genf teilzunehmen. Nur unter Einbeziehung des verbündeten Nachbarstaats kann überhaupt noch Einfluss auf Assad ausgeübt werden. Aber Ban hat Fehler gemacht, die in seinem Amt nicht akzeptabel sind. Er hat sich offenbar weder mit Washington, noch mit der zerstrittenen syrischen Opposition abgestimmt und sich in der Folge auch noch derart unter Druck setzen lassen, dass er den Iran wieder auslud. Nicht genug damit also, dass die Vereinigten Staaten in der Syrienfrage unglaubwürdig geworden sind. Nun leisten ihnen auch noch die UN auf der Verlierbank Gesellschaft. All das geschieht, während sich der Syrienkonflikt ohnehin schon balkanisiert hat. Die Fronten verlaufen asymmetrisch, zwischen Regime und Opposition, aber auch zwischen den Rebellengruppen. Auch das ist eine Folge des viel zu langen Zögerns des Westens, Partei zu ergreifen. Geschieht kein Wunder, wird die Syrien-Konferenz mit ein paar Absichtserklärungen enden, die nichts daran ändern, dass täglich mehr Menschen ermordet werden oder in eine Zukunft fliehen, in der Kälte, Hunger und Elend in überfüllten Städten und Lagern warten. Wenn es nach dem Afghanistankrieg wirklich eines weiteren Beweises bedurft hätte, wie machtlos die internationale Gemeinschaft in einer sich weiter dezentralisierenden Welt geworden ist: Syrien liefert ihn, seit Monaten, jeden Tag, auf dem Rücken von Millionen Männern, Frauen und Kindern.
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