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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Katia Meyer-Tien zu Lufthansa/Pilotenstreik

Regensburg (ots)

Zum zweiten Mal innerhalb einer Woche geht nichts mehr an den deutschen Flughäfen. Geschäftsleute versäumen Konferenzen, Familien streichen ihre Urlaubspläne, Firmen warten auf dringend benötigte Maschinenteile. Mit jedem Flugzeug, das nicht abhebt, steigen die Kosten, nicht nur für die Luftfahrtunternehmen. Die Bilder der menschenleeren Flughäfen gleichen sich, die Hintergründe aber könnten unterschiedlicher kaum sein. In der vergangenen Woche streikten die Angestellten im öffentlichen Dienst, auch bei Flughafenbetreibern wie der Fraport AG. In der Mehrzahl gehören sie zu den Gering- bis Mittelverdienern der Republik, Jahresgehälter von 20 000 bis 50 000 Euro sind hier die Regel. Die Gewerkschaft Ver.di fordert für sie - insgesamt 2,1 Millionen Menschen - 100 Euro mehr pro Monat, dazu ein Lohnplus von 3,5 Prozent. In dieser Woche hingegen streiken die Piloten der Lufthansa, Lufthansa Cargo und Germanwings, etwa 5400 Menschen mit einem Jahresgehalt von 60 000 bis 250 000 Euro. Sie fordern zehn Prozent mehr Lohn, außerdem wollen sie wie bisher die Möglichkeit haben, zu günstigen Konditionen bereits mit 55 Jahren in den Ruhestand zu gehen. Die Forderungen der Piloten klingen im Vergleich zu denen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst wie Wünsche aus einem anderen Universum. Ihnen jedoch einfach Raffgier vorzuwerfen, greift zu kurz. Ansehen, Selbstverständnis und finanzielle Wertschätzung der Piloten sind über lange Jahre in der Sonderstellung des Luftverkehrs gewachsen. Millionenschwere Maschinen mit Hunderten von Menschen darin Tausende Meter über der Erde durch mehrere Zeitzonen zu navigieren, das ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Und auch wenn jeder Arzt, Schulbusfahrer oder Grundschullehrer ebenso Verantwortung für das Leben anderer übernimmt: Der Respekt vor dem Ausnahmeberuf des Piloten ist tief verwurzelt in vielen von uns. Darauf konnten die Luftfahrtkapitäne lange zählen, doch das Bild wandelt sich. Fliegen ist heute für viele Menschen Alltag. Die Lufthansa ist ein Dienstleister, der sich im harten Konkurrenzkampf mit Billiganbietern behaupten muss, und steckt seit 2012 in einem gewaltigen Umbauprozess: Bis zum Jahr 2015 will der Konzern seine Fixkosten um 1,5 Milliarden Euro senken. Das geht nur mit drastischen Einschnitten bei den Personalkosten. Mitarbeiter in anderen Unternehmensbereichen haben das bereits zu spüren bekommen, 3500 Arbeitsplätze sollen wegfallen, um im Wettbewerb mit Emirates, Ryanair oder Wizz bestehen zu können. Dass die Piloten in dieser Situation mit Maximalforderungen um ihre Pfründe kämpfen, ist verständlich. Bei allem Neid: Wenn ein Pilot sich mit 55 Jahren nicht mehr in der Lage sieht, ein Flugzeug sicher zu steuern, muss er die Möglichkeit haben, ohne große Nachteile eine andere Tätigkeit ausüben zu können, bevor er Menschenleben gefährdet - eine Regel, die nicht nur für Piloten gelten sollte. Aber: Tatsächlich demonstriert die Lufthansa bereits seit Wochen Entgegenkommen und Verhandlungsbereitschaft. Dass 5400 Menschen nun trotzdem für drei volle Tage den gesamten Flugverkehr einer ganzen Volkswirtschaft behindern, liegt hauptsächlich daran, dass sie es können. Cockpit spielt die geballte Macht einer Spartengewerkschaft aus, die mit konkreten Forderungen und gezielten Aktionen flexibel reagieren kann. Und so ihren Partikularinteressen enormes Gewicht verleiht - auch Lokführer und Fluglotsen machen das immer wieder vor. Ob das allerdings noch im Sinne eines demokratisch orientierten Streikrechts ist, sei dahingestellt.

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